Entwicklungshilfe für Europa

■ Lakota-Indianer Birgil Kills Straight als Gast in Bremen / „Wir sind nicht benachteiligt, wir haben einfach andere Werte“

„Die Frage ist nicht, was die Europäer tun können, um uns zu helfen - mein Interesse ist, ihnen meine Hilfe anzubieten.“ Birgil Kills Straight macht deutlich, wie tief verwurzelt die Klischees in den Köpfen der Deutschen über die Indianer sind. Von Westernfilmen zu „Winnetous“ stilisiert oder von EsoterikerInnen zu „Erleuchteten“ emporgehoben - auch das ist Rassismus.

Birgil Kills Straight (“Tötet direkt“) ist in Europa, um diese Klischees geradezurücken. Im Bremer Überssemuseum besuchte er die Ausstellung „Erinnern an die Lakota“ (zu sehen bis zum 17. Juli 1994). Auch Kills Straight ist Lakota, ein Nachkomme des legendären Häuptlings Sitting Bull, der den letzten erfolgreichen Krieg der Indianer gegen die US-Armee führte. Nach Birgils Auffassung werden in der alten Welt die Indianer als benachteiligt angesehen. „Das ist eine Frage der Sichtweise. Wir haben einfach andere Werte“, sagt der Lakota. Es ist das „Gesetz des Gebens und des Verteilens“. Das Gesetz der Natur verbietet es den Lakota, die Erde auszubeuten. Ihr Gebot ist es, den Besitz zu verteilen. Die Basis des Glaubens seines Volkes ist eine Göttin, die den „Ursprung des Lebens“ verkörpert. Solange diese Rituale aufrechterhalten werden, existiert indianisches Leben.

Was so philosphisch klingt, ist in den Reservationen der Indianer harter Alltag: Denn Leben aus der Tradition bedeutet einen beständiger Kampf gegen die amerikanische Gesellschaft, die Indianer zu „zivilisieren“ sucht.

„Wir haben gekämpft, und wir haben wenigstens ein Stück unseres Landes verteidigt.“ Birgil Kills Straight war in zentraler Funktion am „zweiten Kampf“ um die Black Hills beteiligt. Die Black Hills sind eine Bergkette in den Dakotas und heiliges Gebiet für die Indianer, bis es ihnen genommen wurde. Der Oberste Gerichtshof räumte inzwischen offiziell ein, daß „die Black Hills den Lakota auf unmoralische Weise entwendet worden seien“. Ihr Land bekamen die Indianer trotzdem nicht zurück.

Gelassen und ruhig erzählt Birgil Kills Straight, wie die Weißen systematisch Raubbau an Menschen und Land betreiben: „Die Weißen haben seit der Landung von Christoph Columbus 150 Millionen amerikanische Einwohner umgebracht und über 400 Verträge gebrochen.“ Für die Lakota sind Verträge, die mit der Pfeife besiegelt wurden, unauflöslich und setzen sich über Generationen fort, auch wenn die andere Seite den Vertrag bricht. Die Lakota haben gelernt, daß das bei den Weißen ganz anders ist.

Juristisch befinden sich die Lakota im Niemandsland. Sie sind US-BürgerInnen und haben keinen eigenen Status als Nation. Demnach sind alle Verträge zwischen den USA und Indianern völkerrechtlich nicht anerkannt und daher auch nicht bei internationalen Gerichten einklagbar. Eine subtile Methode, sogenannten Minoritäten die rechtliche Grundlage zu entziehen. „Wir brauchen weder Geld noch materielle Dinge“, sagt Birgil Kills Straight, „wir brauchen Überzeugungen, um auf dieser Erde überleben zu können.“

Fränze Stucky