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Altbau-Recycling: Neubau für Kanzler / Außenamt halb Alt-, halb Neubau

Beim Regierungsumzug nach Berlin hat sich das Bundeskabinett in Bonn gestern auf das Recycling von Altbauten festgelegt. Völlig neu gebaut werden soll nach dem Kabinettsbeschluß nur das Kanzleramt. Die übrigen Ministerien werden zu fast 90 Prozent in vorhandenen Gebäuden im Zentrum untergebracht.

Für das Auswärtige Amt (AA) wurde entsprechend dem Vorschlag von Bauministerin Irmgard Schwaetzer (FDP) eine Ausnahme gemacht. Von einem Neubau ist in dem Kabinettsbeschluß in diesem Zusammenhang allerdings nicht die Rede. Die Regierung vermeidet offensichtlich den Begriff, um den Haushaltsausschuß nicht zu provozieren. Das Gremium hatte im Februar die Regierung aufgefordert, mit Ausnahme des Kanzleramtes bis zum Jahr 2000 möglichst auf Neubauten zu verzichten.

Nun heißt es in dem Beschluß, für eine „funktionale, dauerhafte Unterbringung zu vertretbaren Kosten“ stünden in Mitte nicht genügend „sanierungsfähige Altbauten“ in Bundesbesitz zur Verfügung. Ein Teil des AA wird in Nachkriegsbauten südlich der Neumannsgasse und in Archivräumen des Hauses der Parlamentarier untergebracht. Für die politische Führung des AA wird auf dem Gelände des ehemaligen Staatsratsgebäudes ein eigener Komplex errichtet. Auf ewig geteilt bleibt das AA aber nicht. Regierungssprecher Vogel kündigte an, nach Vollendung des Umzugs im Jahr 2000 solle auf der Spreeinsel ein „politisches Zentrum“ errichtet werden, in dem auch das Außenamt Platz finden werde.

Klar sind nun die Standorte der Ministerien. Das Innenministerium zieht in das Haus seines früheren DDR-Pendants in der Behrenstraße; das Wirtschaftsministerium waltet im Haus der Parlamentarier an der Werderstraße; das Finanzministerium wird im alten Haus der Ministerien in der Leipziger Straße untergebracht; Blüms Beamte nehmen Teile des Bendlerblocks in der Stauffenbergstraße in Besitz. Für die Ministerialbeamten der Justiz wird ein Komplex in der Jerusalemer Straße ausgebaut und das ehemalige Patentamt saniert; das Familienministerium findet im Ex- Ministerium für Medienpolitik in der Mauerstraße, das Frauenministerium im ehemaligen Ministerium für Verkehrswesen in der Taubenstraße Platz. Das Verkehrsministerium bezieht das ehemalige Regierungskrankenhaus in der Scharnhorststraße, das auch vom Bauministerium mit genutzt wird. Schwaetzers Beamte residieren auch im Ex-Ministerium für Geologie in der Invalidenstraße. – Gegenüber der Planung von vor vier Monaten spart die neue Lösung 980 Millionen Mark ein. Mit der gestrigen Entscheidung kann auch der Zeitplan für den Umzug eingehalten werden. Über den Beschluß muß nun der Haushaltsausschuß beraten. Auch der Berliner Senat soll noch zu Wort kommen.

Mit dem Kabinettsbeschluß fühlt sich Berlin nach den Worten des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) „in seiner Forderung nach einem sparsamen Umzug bestätigt“. Der SPD- Landes- und -Fraktionschef Dietmar Staffelt bezeichnete die Entscheidung als „Sieg der Vernunft“. Die Abgeordnete Michaele Schreyer von Bündnis 90/Die Grünen erklärte, daß die gestrige Entscheidung „gut und gerne vor knapp drei Jahren hätte getroffen werden können“. Hans Monath

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