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Zickige Witzchen

■ Neues Kabarett von Thomas Reis

„Lauschen wir gemeinsam meinen Worten“, befahl Thomas Reis, der gewaltig wortspielerische Kabarettist aus Süd-Baden mit dem aparten Pferdeschwanz und den zerrissenen Hosen. Das Häuflein der knapp dreißig Zuschauer am Mittwoch abend im Mon Marthe gehorchte und lauschte gern seinem neuen Programm „Als die Männer noch Schwänze hatten“, das über zwei Stunden lang durch alle Abgründe menschlicher Gefühlslagen hastete.

Zum Thema Liebe, mit all ihren Verklemmungen, ließ der sprachgeschickte Reis verschiedene Typen durch sich zu Wort kommen: vom ewig Schüchternen zum Dauersäufer, von politischer Prominenz bis zu den „Strietzelhubers“, für Reis der Inbegriff biederer Bürgerlichkeit. Als Reich-Ranicki – „das einzige, was ich in meinem Bett empfange, ist RTL“ – erregte er sich über das reichhaltige Vokabular der Erotik: „alpinistisch ausgedrückt: besteigen, handelseifrig: treiben und Hitchcocksch: vögeln“.

Wenn auch das Programm in der ersten Stunde mit geballter Spannung daherkam, so wucherte es nach der Pause etwas aus. Die „vergänglichste Form der Ewigkeit“ sieht Reis in der „ewigen Liebe“ und den Papst – „der alte Staubsauger“ – betrachtet er als „ökologisches Gesamtkunstwerk“, weil der Mann durch seine Bodenküsserei die Welt sauber halte.

Wenn da so manches Witzchen auch arg weit hergeholt war, die paar Zuschauer nahmen es lachend hin, die Atmosphäre wurde im Laufe des Abends fast familiär. Schließlich waren sich alle einig, zumindest in der Sympathie für den „bewaffneten Kampf gegen das Schweine-System“.

Ein bißchen Gemeckere über das Outfit deutscher Kleinstädte („da kann man von der Straße essen, andernorts muß man es“), ein wenig über das böse deutsche Wesen – „der Deutsche als solcher sitzt immer am Nebentisch“, damit ihm die Gespräche an den anderen Kneipen-Tischen nicht entgehen.

Insgesamt ein zickiges, mal schenkelkopfendes Sprachgewirr, gepaart mit einer scharfen Zunge. Thomas Reis neues Kabarett-Programm folgte dem Motto „denn sie wissen nicht, was sie wollen“. Auch wenn das Publikum nicht immer wußte, was das Programm wollte – außer in den großen klebrigen Topf ewig kritischen Austeilens hinzugreifen – Spaß machte es trotzdem.

Simone Ohliger

Mon Marthe, noch bis 5. Juni, 20.30 Uhr

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