■ Die UNO zu den Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien: Hinweise statt Beweise
Sie hatte denkbar schwierige Bedingungen, die Genfer Untersuchungskommission über Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien: Seit ihrer Einsetzung durch den UNO-Sicherheitsrat im November 1992 verweigerten zahlreiche Regierungen – darunter die Bonner – die (auch finanzielle) Kooperation. Kommissionsmitglieder, die vor Ort Massengräber untersuchen, Opfer und Zeugen von Menschenrechtsverletzungen ausfindig machen oder materielle Beweise sichern wollten, wurden oftmals durch eine der Kriegsparteien – zumeist die serbische – be- oder verhindert. Unprofor-Gruppen waren oft nicht in der Lage, Schutz zu gewähren. Bis zuletzt verweigerten das Internationale Rote Kreuz und das UNO-Flüchtlingshochkommissariat die Kooperation. Und schließlich belasteten auch noch interne Querelen die Kommissionsarbeit.
Dennoch ist der Abschlußbericht und die ihm zugrunde liegende Datensammlung erstaunlich materialreich und aussagekräftig. Der Bericht bestätigt die wesentlichen Erkenntnisse über die Art und Systematik der Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße, sowie Erkenntnisse über die (serbischen) Haupttäter und (muslimischen) Hauptopfer. Erkenntnisse, zu denen auch UNO-Sonderberichterstatter Mazowiecki sowie zahlreiche journalistische BeobachterInnen immer wieder gelangten.
Es bleibt jedoch weiterhin völlig ungewiß, ob jemals auch nur ein einziger Täter oder Befehlsgeber vor dem Den Haager Tribunal erscheinen wird oder dort gar überführt und verurteilt wird. Zwar liefert der Kommissionsbericht zahlreiche brauchbare Hinweise, aber eben keine ausreichenden Beweise. Denn die Kommission hat lediglich ein Mandat zur Materialsammlung und Untersuchung, nicht aber zur Ermittlungsarbeit erhalten. Jetzt müßten alle in den letzten 20 Monaten angehörten Zeugen erneut aufgespürt und vernommen werden. Dies aber wird nicht geschehen, solange es keine ausreichenden Vorkehrungen zum Schutz und zur Betreuung von Zeugen gibt und solange auch das Tribunal nur unter schwierigen Bedingungen arbeiten kann.
Die internationale Staatengemeinschaft muß jetzt ihre oft bekundete Absicht zur Ahndung von Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien glaubhaft machen, etwa durch eine erhebliche Aufstockung finanzieller und anderer Ressourcen. Sonst hält sich weiter der hartnäckige Verdacht, daß zwischen Moskau, Washington und wichtigen Regierungen der EU längst insgeheim verabredet wurde, den Kriegsparteien ein Pardon anzubieten. In der – illusionären – Hoffnung, damit eine politische Lösung der Konflikte in Bosnien und Kroatien zu erleichtern. Andreas Zumach, Genf
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