piwik no script img

Rausschmiß für das „Orient-Haus“

Israel und die PLO streiten über palästinensische Institutionen in Ost-Jerusalem / Palästinensische Einrichtungen sollen nach Jericho und in den Gaza-Streifen verbannt werden  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der sensibelste Punkt des Friedensprozesses zwischen Israelis und Palästinensern ist die Zukunft Jerusalems. Beiden Seiten ist die Stadt heilig und beide betrachten sie als ihre legitime Hauptstadt. Mit dem Unterschied, daß die Israelis Jerusalem zu ihrer Kapitale gemacht haben, während die Palästinenser es in den letzten Jahren nur geschafft haben, dort zahlreiche, allesamt im Ostteil der Stadt gelegene politische Institutionen einzurichten. Gerade diese Einrichtungen sind der israelischen Regierung ein Dorn im Auge.

Ministerpräsident Jitzhak Rabin erklärte Anfang der Woche, alle palästinensischen Organisationen und Institutionen, die auf irgendeine Weise mit der Autonomieverwaltung im Gaza-Streifen und in Jericho verbunden sind, müßten aus der Stadt verschwinden.

Da infolge der Abkommen von Oslo und Kairo so gut wie alle palästinensischen Einrichtungen in irgendeinem Zusammenhang mit der Autonomie-Zwischenlösung stehen, bedeutet die Erklärung praktisch das Aus für fast alle palästinensischen Organisationen in Jerusalem. Lediglich solche Institutionen, die mit Angelegenheiten der in Ost-Jerusalem wohnenden PalästinenserInnen betraut sind, dürften dort weiter bestehen bleiben. „Falls die Palästinenser ihre sonstigen Institutionen nicht nach Jericho überführen, werden wir ihnen Beine machen“, sagte Rabin vor dem Knessetausschuß für auswärtige Angelegenheiten und Sicherheit.

Der israelische Regierungschef räumte ein, daß die Zwangsschließung palästinensischer Institutionen in den von Israel annektierten Teilen Jerusalems auf juristische Probleme stoße. Daher müßten zunächst einige Gesetze geändert werden. Bei dieser Gelegenheit betonte Rabin erneut, daß Jerusalem bei ihm den höchten Stellenwert unter allen noch zu lösenden territorialen Fragen habe. Darauf folgten „gewisse Teile Judäas und Samarias“ – also der Westbank –, die Golanhöhen und schließlich der Gaza-Streifen. So lautet die Rangfolge der Bedeutung, die Rabin diesen besetzten Gebieten beimißt. Falls die Palästinenser bestehende Abkommen verletzen, so der Ministerpräsident, sei jederzeit eine teilweise oder vollständige Rücknahme der Selbstverwaltungsordnung möglich.

Innerhalb der palästinensischen Selbstverwaltungbehörden ist Faissal Husseini inoffiziell für die Jerusalem-Frage zuständig. Offiziell kann der im Ostteil der Stadt lebende Vertraute von PLO-Chef Arafat diese Funktion nicht wahrnehmen, weil Jerusalem durch das Osloer Abkommen von der gegenwärtigen Autonomiephase ausgeschlossen bleibt. Nach seiner Rückkehr aus dem PLO-Hauptquartier in Tunis reagierte Husseini umgehend auf die Erklärung Rabins. Die PLO werde auf keinen Fall zulassen, daß palästinensische Institutionen aus Ost-Jerusalem entfernt werden. Symbolkräftig positionierte sich Husseini für diese Erklärung im Vorhof des „Orient-Hauses“, dem Hauptsitz der dortigen palästinensischen Institutionen. Gerade dieses Haus gilt als Wahrzeichen palästinensischer Ansprüche auf einen eigenen Staat mit Ost-Jerusalem als Regierungssitz. Zahlreiche internationale Politiker gingen in den letzten Jahren in dem Haus ein und aus und respektierten es als politisches Zentrum der Palästinenser in Jerusalem. Rabins Erklärung ist daher in erster Linie als Kampfansage an das „Orient-Haus“ zu verstehen.

Husseini bezeichnete jeden Schritt gegen das Haus und andere palästinensische Institutionen als „Vertragsbruch“. Das Haus bestünde seit dem im Herbst 1991 in Madrid begonnenen Friedensprozeß und habe mit dem Gaza-Jericho-Abkommen nichts zu tun. „Wir sind hier in Jerusalem als Volk, das in seinem eigenen Land lebt und seine eigenen Institutionen hat“, sagte Husseini. Die Palästinenser würden keine Versuche unternehmen, die Verhältnisse in Jerusalem gewaltsam zu verändern. „Die gesamte Frage Jerusalem wird in der nächsten Phase der Verhandlungen auf der Tagesordnung stehen, und niemand hat das Recht, diese Institutionen anzugreifen, sie zu dezimieren oder ihre Tätigkeit einzuschränken.“

Auf der schwarzen Liste der Israelis steht neben dem „Orient- Haus“ auch „Pedcar“, der neugegründete palästinensische Wirtschaftsrat für Entwicklung und Wiederaufbau. Als Pedcar kürzlich in Jerusalem sieben Telefonanschlüsse beantragte, erhielten sie die Antwort, Anschlüsse seien lediglich in Jericho zu haben.

Die israelische Regierung mußte gestern zugeben, daß Außenminister Schimon Peres sich erst vor einigen Monaten gegenüber PLO-Chef Arafat schriftlich verpflichtet hatte, den palästinensischen Institutionen in Jerusalem ihre normale Aktionsfähigkeit nicht zu beschränken. Existenz und Inhalt dieses Briefes wurden bisher geheimgehalten.

Interview mit Teddy Kollek Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen