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Dialog mit handverlesenen Teilnehmern

Ägyptens Präsident Husni Mubarak ruft zum „Nationalen Dialog“ mit der Opposition, aber nicht jeder darf auch daran teilnehmen / Vor allem die Islamisten bleiben außen vor  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

„Nationaler Dialog“ – diese beiden Wörter dürften wohl die meistgebrauchte Phrase in der derzeitigen politischen Debatte Ägyptens bilden. Vor einem halben Jahr hatte ihn der ägyptische Präsident Husni Mubarak zum Antritt seiner dritten Amtszeit feierlich angekündigt. Seitdem spekulierte die politische Elite des Landes darüber, was er wohl gemeint haben könnte.

Die Regierung steht vor einem Berg von Problemen: Militante Islamisten verüben einen Anschlag nach dem anderen; Korruption ist bis in die höchsten Kreise der Politik verbreitet; steigende Preise, eine horrende Arbeitslosenquote und ein kollaborierendes Erziehungssystem lassen immer mehr ÄgypterInnen skeptisch auf ihre politische Führung in Kairo blicken.

Vergangene Woche ließ der Präsident schließlich die Katze aus dem Sack: Ein 42köpfiges Komitee soll den „Nationalen Dialog“ vorbereiten. Vertreter der Regierungs- und Oppositionsparteien, Vorsitzende von Berufsverbänden, Universitätsprofessoren und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens – sie alle sollen sich in diesem Gremium nun darüber streiten, wer mit wem wann worüber reden soll.

Daß die Sache nicht einfach wird, zeigte bereits die erste Sitzung am vergangenen Dienstag. Sie endete im Tumult. Die meisten Oppositionsparteien zeigten sich schockiert über die handverlesenen Mitglieder des Komitees. Mubarak hatte seiner Partei NDP die absolute Dominanz gesichert. Der Vorsitzende der liberalen Wafd- Partei stürmte verärgert aus der Sitzung und drohte mit einem Boykott, falls sich die Zusammensetzung nicht ändere. Sein Kollege von der nasseristischen Partei war erst gar nicht erschienen. Die Opposition will auch nicht, wie von der Regierung bevorzugt, ausschließlich über ökonomische und soziale Fragen sprechen. Ihr liegen eher die politischen Reformen des Landes am Herzen.

Die Sitzung bestätigte, was viele befürchtet hatten. Zu verschieden sind die Absichten, die die unterschiedlichen Seiten verfolgen. Die Regierung hofft, eine breitere Basis im Kampf gegen die militante islamistische Opposition zu gewinnen. Die Opposition verspricht sich dagegen von dem Dialog eine weitere politische Öffnung und Demokratisierung des Landes.

Einer der Knackpunkte des „Nationalen Dialogs“ ist die Frage, ob Islamisten daran teilnehmen dürfen. Sie stellen die größte Oppositionsgruppe im Land dar, sind jedoch samt und sonders verboten. Mubarak machte letzte Woche noch einmal deutlich, daß alle illegalen Parteien vom Dialog ausgeschlossen sind. Damit bleiben auch moderate Islamisten, wie die Muslimbrüder, außen vor. Die Entscheidung wurde selbst in der staatlichen Presse kritisiert: „Der Ausschluß einer einzelnen politischen Strömung bedeutet, daß wir den Kopf in den Sand stecken“, schrieb Salama Ahmad Salama in der Tageszeitung Al-Ahram. Doch ganz wollte die Regierung die Verbindung zur islamistischen Opposition nicht abreißen lassen. Indirekt sitzen die Islamisten über die mit ihnen eng verbundene Arbeitspartei mit im Dialog-Komitee.

Neue Repressionen gegen die Muslimbrüder

Doch die islamistische Kerngruppierung, die seit 1954 verbotenen Muslimbrüder, ist fast zeitgleich zum ersten Treffen des Dialog-Komitees neuen Repressionen ausgesetzt. Nachdem die Regierung sich bisher wenig um die politischen und sozialen Aktivitäten dieser Gruppe gekümmert und sich mehr auf die militanten Islamisten konzentriert hat, hat sie in den letzten Wochen gleich mehrmals zugeschlagen. Einem der bekanntesten islamistischen Rechtsgelehrten, Scheich Muhammad Al-Ghazali, wurde untersagt, anläßlich des großen Beiram-Festes vor zwei Wochen in einer der großen Moscheen Kairos zu predigen. Gestern mußte sich der 84jährige Chef der Muslimbrüder, Scheich Hamid Abul- Nasr, vor der Staatsanwaltschaft verantworten. Ihm wird vorgeworfen, regierungsfeindliche Flugblätter unterzeichnet zu haben. Innenminister Hassan Al-Alfi erklärte gestern, daß in den letzten Tagen zehn weitere Muslimbrüder festgenommen worden seien. Ägyptische Beobachter, wie der linke Politologe Muhammad Sid Ahmad, glauben, daß die Regierung mit diesen Maßnahmen noch einmal unmißverständlich deutlich machen will, daß die Muslimbrüder vom „Nationalen Dialog“ ausgeschlossen bleiben.

Um den Einfluß der Islamisten in den ägyptischen Institutionen einzudämmen, erließ das von der Regierungspartei dominierte Parlament in den letzten zwei Wochen zwei neue Gesetze. Die ägyptischen Umdas (Dorfvorsteher) und ihr Repräsentant, der Scheich Al- Balad, sollen in Zukunft nicht mehr gewählt, sondern vom Innenministerium bestimmt werden. Auch die Universitäten bleiben von der strengeren Regierungskontrolle nicht verschont. Seit letzter Woche dürfen die Dekane der Fakultäten nicht mehr von den Professoren gewählt werden. Statt dessen werden sie vom Präsidenten der Universität eingesetzt. Vertreter aller Oppositionsparteien sehen in beiden neuen Gesetzen einen ernsthaften Rückschlag bei der Demokratisierung des Landes.

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