Hurra, wir leben noch

Der Weser-Report hat am Sonntag in seiner beliebten Art zugeschlagen: „Die taz Bremen gibt es nicht mehr“, lautete seine Schlagzeile. taz-AbonnentInnen werden sich vielleicht gewundert haben, als sie am Montag die taz-Bremen wie immer in ihrem Briefkasten fanden. Das Rätsel wollen wir hier auflösen: Auch wir haben irritiert mit zwei Fingern der rechten Hand nach unserer Nase gesucht. Wir wußten schlicht nicht, daß es uns nicht mehr gibt.

Scherz beiseite: Der Chefredakteur des WR hatte die Amtlichen Bekanntmachungen gelesen. Dort war dem Mann was aufgefallen: Löschung der „taz Bremen und umzu - Tageszeitungsverlags-GmbH“. Ein formaler Akt - schon seit Monaten sind die Bremer und Hamburger Aktivitäten der taz in der „taz-Nord“ geschäftlich zusammengeführt. Auf den Bremer Lokalteil, die taz-Bremen, hat das keine Auswirkungen gehabt, wie jeder seit Monaten sehen kann.

Nun wollen wir nicht unterstellen, daß der Chefredakteur des Weser-Report nicht in der Lage ist, dies zu erkennen. Als er am vergangenen Freitag den Geschäftsführer der taz anrief, da ging es ihm zunächst auch um ein anderes Thema: den „Phone-Box“-Skandal. Die taz hatte am 2.6. über das Kontakt-Telefonnummerngeschäft des Weser-Report-Verlegers Klaus Peter Schulenberg („KPS-Programme“) berichtet. Dem taz-Autor liegt ein Protokoll der Wochenkonferenz im Hause KPS vom 18. Mai vor, in dem es heißt: „Mitarbeiterinnen sind nicht mehr bereit, ,Privat-Box' zu besprechen.“ Wenn KPS-Angestellte die Privat-Boxen mit fingierten Kontakt-Angeboten „füttern“, dann ist das Betrug gegenüber den Telefon-Kunden, die für das Stöbern in den akustischen „Anzeigen“ 1,15 Mark pro Minute zahlen müssen. Den Wahrheitsgehalt unseres Berichtes hat der Weser-Report-Chefredakteur interessanterweise nicht bestritten.

Und die Anzeigen für „WR-Phone-Box“ und die „AbisZ-Phone-Box“, am 1. Juni noch fett drin, sind aus der Sonntags-Ausgabe des Weser-Report vom 5. Juni, also drei Tage nach der taz-Veröffentlichung, verschwunden.

Wir verstehen, daß der Geschäftsmann KPS sauer ist. Wir verstehen aber nicht, daß der Journalist Ronald Famulla sich für eine derart billige Rache hergibt.

Klaus Wolschner