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Kurdische Unternehmer auf türkischen Todeslisten

■ Nach drei Morden in Istanbul geht unter wohlhabenden Kurden die Angst um

Istanbul (taz) – Die Leichen des entführten kurdischen Unternehmers Savas Buldan und seiner Freunde Adnan Yildirim und Haci Karay waren verstümmelt. Bevor die Mörder am Wochenende ihre Todesschüsse abfeuerten, hatten sie brennende Zigaretten auf den Körpern ihrer Opfer ausgedrückt und den Hoden von Haci Karay zertrümmert. Die Folterungen waren Teil der Botschaft der Mörder an die türkische Öffentlichkeit: Kurdische Geschäftsleute, die verdächtig sind, die kurdische Guerilla PKK zu unterstützen, kommen auf die Todesliste.

Die großen türkischen Tageszeitungen berichteten gestern über Mafia-Verbindungen Buldans und über seine Freundschaft mit kurdischen Oppositionellen – ganz so, als sei das eine Legitimation für die Morde. Buldan war mit der kurdischen Abgeordneten Leyla Zana und ihrem Ehemann Mehdi Zana, die heute im Gefängnis sitzen, befreundet. Bei einer Polizeirazzia in seiner Wohnung vor zwei Jahren waren auch die Eheleute Zana anwesend. Auch die kurdische Opposition hat die Botschaft verstanden. „Es lebe Kurdistan“, „Nieder mit der Mörderin Çiller“, riefen Tausende auf den Beerdigungen in Istanbul, an der auch Abgeordnete der kurdischen „Demokratischen Partei“ (DEP) teilnahmen. Savas Buldan war nicht irgendein Unternehmer. Er genoß hohes Ansehen in der kurdischen Gemeinde. Sein Bruder Necdet Buldan gilt als Oberhaupt des kurdischen Stammes Oramar. „Es ist offenkundig, wer hinter den Morden steckt. Nur staatliche Kräfte können so eine Tat wagen. Der Staat, der Blut vergißt, wird eines Tages in diesem Blut ertrinken“, sagt der Bruder Necdet Buldan.

Auch Menschenrechtsgruppen machen den Staat verantwortlich. Savas Buldan, der stets Anschläge auf seine Person befürchtete, wurde von mehreren bewaffneten Bodyguards beschützt. Die Männer, die sich als Zivilpolizisten ausweisen konnten, benutzten keine Gewalt, als sie Buldan und seine Freunde vergangenen Freitag vor einem Hotel im Istanbuler Reichenviertel Yesilköy abholten. Selbst die Autokennzeichen der Luxuskarossen werden von Augenzeugen genannt. Einen Tag später wurden die verstümmelten Leichen in der Provinz Bolu, 270 km von Istanbul entfernt, gefunden. Die Mörder konnten in aller Ruhe agieren. Am Freitag soll ein Polizeisprecher bestätigt haben, daß die drei Männer in Polizeigewahrsam sind. Zwei Stunden später wurde dementiert.

In den vergangenen Jahren sind Tausende politische Morde an kurdischen Oppositionellen, insbesondere in den kurdischen Regionen, verübt worden. Die Mörder wurden nie gefaßt. Der Verdacht liegt nahe, daß die Todesschwadronen von staatlicher Seite gedeckt werden. Zunehmend fallen auch kurdische Geschäftsleute und Intellektuelle, die in den großen Städten im Westen der Türkei leben, den Todesschwadronen zum Opfer. Im Januar wurde der kurdische Unternehmer und Miteigentümer der damals erscheinenden prokurdischen Tageszeitung Özgür Gündem, Behcet Cantürk, entführt und ermordet. Im Februar wurde der bekannte kurdische Rechtsanwalt Yusuf Ekinci in Ankara entführt und ermordet. Im März wurden die kurdischen Geschäftsleute Fevzi Arslan und Sahin Arslan in Istanbul entführt und ermordet.

Die Morde scheinen Teil des „totalen Krieges“ zu sein, den der türkische Staat gegen die „Arbeiterpartei Kurdistans“ PKK führt. „Diese Morde werden auf Befehl und auf Direktive des Staatspräsidenten Süleyman Demirel und der Ministerpräsidentin Tansu Çiller ausgeführt“, kommentiert der kurdische Unternehmer und einstige Parteichef der DEP, Yasar Kaya, der nach Europa geflohen ist. Der Vorsitzende des Menschenrechtsvereins in Istanbul, Ercan Kanar, spricht davon, daß die Regierung die Morde fördert.

Auf einer Pressekonferenz im November vergangenen Jahres hatte Ministerpräsidentin Çiller „Sympathisanten“ der PKK ausfindig gemacht: „Wir kennen die Unternehmer und Künstler, von denen die PKK Schmiergelder kassiert. Wir werden diese Leute zur Rechenschaft ziehen.“ Seither ist es zu keiner einzigen Anklage gegen bekannte kurdische Unternehmer wegen Unterstützung der PKK gekommen. Statt dessen folgten Morde, von denen kein einziger aufgeklärt wurde.

Professor Mahir Kaynak, einst hochrangiges Mitglied des türkischen Geheimdienstes, glaubt, daß diejenigen, die die Liste der „Unterstützer“ an die Regierung leiteten, auch die Mörder sind. Die Erfahrung zeigt, daß selbst die besten Sicherheitsvorkehrungen nichts nützen, wenn Killerkommandos staatliche Rückendeckung haben. Unter reichen Kurden in den Großstädten geht die Angst um. Ein kurdischer Geschäftsmann aus Istanbul meint: „Soll Çiller doch ihre Liste veröffentlichen. Dann wissen wir zumindest, wer an der Reihe ist.“ Ömer Erzeren

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