■ Gastkommentar: Schlösser-Stiftung: Chancen nutzen
Gleich nach dem Fall der Mauer erschien es als leicht und vernünftig, die Berliner und die Potsdamer Schlösserverwaltungen wieder zusammenzufügen, auch als Modell für eine Länderfusion. Gute Kontakte gab es wegen der gleichen fachlichen Aufgabe schon, als noch Feindschaft verordnet war. In der Zeit der Sichtblenden schlugen die Landschaftsgärtner von Glienicke und Babelsberg die historischen Sichtachsen frei. Da die Potsdamer Kollegen sich gegenüber dem SED-Regime nahezu tadellos verhalten hatten, wäre eine schnelle Fusion mit einer Dominanz des gewichtigeren Komplexes von Sanssouci denkbar gewesen. Der Westen ordnet sich einmal dem Osten unter, wenn das Gefühl für Recht und Billigkeit es fordert. Was hätte das 1990 für eine Signalwirkung gehabt! Im Bereich der Kultur wäre einmal ein anderes Denken erprobt worden als in der Wirtschaft. Aber es kam Sand ins Getriebe, statt Fusion Konfusion. Der Schwarze Peter (wieso eigentlich schwarz?) wurde Bonn zugeschoben. Historiker werden sich später mit der Frage beschäftigen, wer die Bremser waren. Jetzt gilt es, den letzten Rest von 89er-Idealismus zu nutzen und die kulturpolitischen Möglichkeiten wahrzunehmen, die in der Unruhe der Vereinigung enthalten sind. Dabei sollte die hüben und drüben gewachsene Individualität nicht preisgegeben, sondern für einen Dialog genutzt werden. Chancen gibt es genügend und Aufgaben ebenfalls: Der eine muß sich für den anderen mitverantwortlich fühlen, und dem machtbewußten Hauptstadt-Zentralismus wird ein sanftes dezentrales Museumsmodell entgegengesetzt. Der Blick in die Geschichte kann nun mit zwei Augen erfolgen. Das ist wichtig, um eine höchst problematische Vergangenheit besser zu verstehen. Und: Zu den Schlössern gehören die Gärten, zur Kunst die Natur. Mehr als andere Häuser benötigen die empfindlichen Schlösser eine ökologische Zukunftsperspektive. Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan
Der Autor ist Kunsthistoriker bei der Schlösserverwaltung.
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