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„Ich bin Oppositioneller, aber kein Islamist“

■ Algerische Flüchtlinge haben in der BRD selten einen Anspruch auf Asyl

Berlin (taz) – Auch mehrere tausend Kilometer von seinen Häschern entfernt hatte Lutfi M. nicht das Gefühl, in Sicherheit zu sein. „Es war wie auf einer Polizeistation. Es war wie ein Verhör“, beschreibt der Algerier die Atmosphäre, in der er vor rund einem Jahr seinen Asylantrag stellte. Seitdem lebt er in Deutschland, ohne sich wirklich geschützt zu fühlen. Sein Antrag wird immer noch bearbeitet, und er muß damit rechnen, jederzeit abgeschoben zu werden. „Ich bin Oppositioneller, aber ich bin kein Islamist“, umreißt er seine politische Position: „Ich bin gegen das Regime und ich bin gegen die FIS.“

Im Dezember 1991 sollte in Algerien erstmals ein unabhängiges Parlament gewählt werden. Doch als nach dem ersten Wahlgang die „Islamische Heilsfront“ (FIS) weit vorne lag, sagten die Machthaber – eine politische Mafia aus Militärs und Funktionären der bisherigen Einheitspartei FLN – den zweiten Urnengang kurzerhand ab. Seitdem herrscht in dem nordafrikanischen Land ein schleichender Bürgerkrieg. Zwischen die Fronten geraten dabei Intellektuelle, SchriftstellerInnen, JournalistInnen und jene AlgerierInnen, die gegen das Regime sind, aber auch in keinem von Islamisten regierten Staat leben wollen. Nach Angaben von amnesty international (ai) wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahren mehr als 2.000 AlgerierInnen aus politischen Motiven getötet.

Doch die meisten AlgerierInnen, die in Deutschland Schutz suchen, haben wenig Aussicht auf Hilfe. Nach ai-Angaben wurden im vergangenen Jahr nur 54 AlgerierInnen von deutschen Behörden als politische Flüchtlinge anerkannt. Ihnen standen 11.991 abgelehnte Asylverfahren gegenüber. Menschen wie Lutfi M. sind im deutschen Asylverfahrensgesetz schlicht nicht vorgesehen. Denn wer hierzulande als politischer Flüchtling Schutz genießen will, muß nachweisen, daß er in seiner Heimat von staatlicher Seite verfolgt wird. Die deutschen Behörden berufen sich dabei auf eine Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahr 1951. Wer auf der Abschußliste einer Oppositionsgruppe steht, hat demnach keinen Anspruch auf Asyl. Auch dann nicht, wenn die Gruppierung, wie die FIS, Teile des Landes kontrolliert.

Eindeutig vom algerischen Staat verfolgt werden mehrheitlich Islamisten. Führende Persönlichkeiten der FIS hatten in Deutschland Erfolg mit ihrem Asylantrag. „Wenn man sich das ansieht, muß man feststellen, daß die Entscheidungen von Unkenntnis der Situation im Land geprägt sind“, beurteilt Monika Kadur von ai die Praxis deutscher Behörden. Nach Beobachtung von amnesty werden Mitglieder der algerischen Zivilbevölkerung „von beiden Seiten getötet“, also von Islamisten und vom Regime. Die größere Verantwortung trage allerdings die politische Führung Algeriens, die schließlich über Polizei verfüge, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Daher fordert ai von den deutschen Behörden eine weiterreichende Definition des Flüchtlingsstatus. Schutz finden sollten auch Personen, denen die Regierung des Verfolgerlandes „keine Sicherheit gewährleiste“.

Doch statt Schutz zu finden, treffen algerische Flüchtlinge in Deutschland häufig auf Beamte, die auf sie wie Handlanger des algerischen Regimes wirken. So wird AlgerierInnen, die einen Asylantrag stellen und keine gültigen Papiere vorweisen können, ein Formular „Angaben zur Person – Asylbewerber“ vorgelegt. Der Fragebogen wurde von Beamten des Bundesgrenzschutzes gemeinsam mit Mitarbeitern des algerischen Generalkonsulats in Frankfurt erstellt. Auf deutsch und französisch wird darin nach „Familienangehörigen“ und „Referenzen in Algerien“ gefragt. Hinzu kommen Abdrücke sämtlicher Fingerkuppen. Der Vizepräsident des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Wolfgang Weickhardt, bestätigte gegenüber der taz den Einsatz des Formulars bereits bei Antragstellung. Bei „offensichtlich unbegründeten Anträgen“ gehe es ausgefüllt an das Generalkonsulat.

Werden AlgerierInnen abgeschoben, bekommt das Generalkonsulat spätestens 14 Tage zuvor Datum, Gesellschaft und Nummer des Fluges mitgeteilt. „Das Generalkonsulat übermittelt die Flugdaten auch nach Algerien, um sicherzustellen, daß der algerische Staatsangehörige den algerischen Sicherheitsbehörden zugeführt wird“, heißt es in der entsprechenden Dienstanweisung der Grenzschutzdirektion in Koblenz.

Einen so vorbereiteten Empfang in der Heimat fürchten algerische AsylbewerberInnen, egal ob sie auf den Fahndungslisten des Regimes stehen, Morddrohungen von Islamisten oder Unbekannt erhielten oder einfach nicht im Bürgerkrieg um ihr Leben bangen wollen. Ende April rebellierten in den Abschiebehaftanstalten Leverkusen-Opladen und Büren bei Paderborn abgewiesene Algerier. Unter der Androhung von Selbstmord forderten sie, in Länder ihrer Wahl ausreisen zu dürfen. Doch die Proteste bewirkten das Gegenteil: In Büren fuhr am 5. Mai eine Karosse des algerischen Generalkonsulats vor. Die Vertreter des Regimes durften sich umsehen und bekamen Meuterer vorgestellt. Nach Angaben des Leiters der Anstalt, Peter Möller, führten die Diplomaten mit den Flüchtlingen „Gespräche über den Schreibtisch“. Worum es in den Unterredungen ging, weiß Möller nicht, denn „von meinen Mitarbeitern spricht ja keiner Arabisch“. Wohl sei ihm aber aufgefallen, daß die Häftlinge zu den Gesprächen „nicht sonderlich Lust“ gehabt hätten. Möller interpretiert dieses Verhalten allerdings nicht als Zeichen von Angst, sondern als die bei abgelehnten Asylbewerbern „übliche Verweigerungshaltung“. Thomas Dreger

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