piwik no script img

Balsam schmiert 50 Banken ein

■ Betrugsskandal um Sportstättenausrüster Balsam AG: Mit fingierten Aufträgen und gefälschten Bilanzen zog der Vorstand den Geldhäusern Milliardenkredite aus den Tresoren / Schneider läßt grüßen

Berlin (taz) – „Mal sehen, was da noch kommt“, feixten nicht wenige Wirtschaftsexperten nach der Schneider-Pleite, die über Nacht den Mythos von den feinen Banken zerstörte. Sie sollten recht behalten: Der Pleitegeier kreist wieder, diesmal über der Balsam AG aus dem ostwestfälischen Steinhagen, die mit einem Umsatz von 460 Millionen Mark und 1.367 Beschäftigten immerhin einer der weltweit führenden Anbieter von Böden für Sportanlagen ist.

Firmenboß und Hauptaktionär Friedel Balsam wanderte am Montag abend erst einmal in Untersuchungshaft – samt seinen Vorständlern Ortlieb, Schultes und dem geständigen Finanzchef Schlienkamp. Der Vorwurf der Bielefelder Staatsanwälte, die seit 1992 in diesem Fall ermitteln: Das Quartett habe durch Kreditbetrug, Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung seine Gläubiger um Unsummen geprellt; überdies sei möglicherweise Erpressung im Spiel. Da die Verluste ins Uferlose zu wachsen drohten, griffen Balsam und Co. zu einem beliebten Rezept: Mit frisierten Auslandsaufträgen, gefälschten Bilanzen und Testaten sowie gecoverten Briefköpfen amerikanischer Wirtschaftsprüfer und Banken ausgerüstet, erschwindelten sich die Betrüger Kredite in Milliardenhöhe und spekulierten mit dem Geld an der Börse. Das Verfahren hatte ein gefeuerter leitender Balsam-Mitarbeiter in Gang gebracht.

In Steinhagen stehen inzwischen die Maschinen still: Wann der Konkursantrag folgt, dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Mit in der Tinte sitzen auch diesmal die Banken, die den seit Jahren konkursreifen Laden brav mit immer neuen Krediten durchgefüttert haben. Auf mehrere Milliarden Mark soll sich der Schaden allein für die rund 50 beteiligten Kreditinstitute belaufen, darunter so noble Adressen wie die BfG- Bank, die Bayerische Vereinsbank oder die BHF. Auch die Deutsche Bank ist – wen wundert's? – mit von der Partie. Während die Balsam AG bei den Banken allein mit rund zwei Milliarden in der Kreide steht, beläuft sich der finanzielle Verlust der Procedo Gesellschaft für Exportfactoring, von der sich Balsam seine Geschäfte regelmäßig vorfinanzieren ließ, ebenfalls auf bis zu zwei Milliarden Mark. Procedo, das einen Umsatz von 3,7 Milliarden Mark erzielt, wickelte etwa die Hälfte seiner Geschäfte mit Balsam ab und steht ebenfalls vor dem Ruin. Procedo-Hauptgesellschafter ist die Allgemeine Kreditversicherung AG, an der wiederum die Allianz und die Münchener Rück beteiligt sind. Genaueren Aufschluß über die Forderungen soll eine gestern anberaumte Krisensitzung der Banken bringen. Erwin Single

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen