: Nato sagt „njet“ zu Moskau
■ Bei der Außenministerkonferenz in Istanbul wollte Andrej Kosyrew eine Stärkung der KSZE erreichen
Istanbul (taz) – Gestern begann in Istanbul die Außenministerkonferenz der Nato-Staaten, die heute mit dem Nato-Kooperationsrat fortgesetzt wird. Dem Nato-Kooperationsrat gehören nach dem Ende des Kalten Krieges neben den Nato-Mitgliedern ehemalige Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes an. Im Zentrum der Beratungen steht das Verhältnis der Nato zu Rußland, der „mächtigsten Einzelnation in Europa“ – so die Titulierung in der Eröffnungsrede durch den stellvertretenden Nato-Generalsekretär Sergio Balanzino. Der russische Außenminister Andrej Kosyrew stellt den traditionellen, exklusiven Entscheidungsmechanismus der Nato zu europäischen Sicherheitsfragen in Frage.
Ziel Rußlands ist die Unterordnung der Nato unter die „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE). Auch ein regelmäßiger Konsultationsmechanismus der Nato unter russischer Beteiligung schwebt Moskau vor. Doch der Nato gehen die weitgehenden Forderungen, die letztendlich ein russisches Interventionsrecht bei Nato-Entscheidungen zum Ziel haben, zu weit.
Die Formulierungen Balanzinos, der den kranken Generalsekretär Manfred Wörner vertritt, waren klar. Zwar wolle die Allianz die Beziehungen zu Rußland intensivieren und dem Umstand Rechnung tragen, daß Rußland eine „Großmacht“ sei. Doch ein neues „Jalta 2“, das Nato und Rußland festlege, werde es nicht geben. In Jalta hatten die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges die Aufteilung Europas in zwei Einflußzonen festgelegt.
Das Nein zu einem neuen Jalta heißt praktisch, daß die Nato-Staaten sich bei ihren Entscheidungen nicht von Rußland reinreden lassen wollen. Auch der deutsche Außenminister Klaus Kinkel lehnte ein Interventionsrecht Rußlands bei Nato-Entscheidungen ab. „Den russischen Vorstellungen einer hierarchischen Sicherheitsarchitektur stellen wir das Konzept eines Netzwerkes sich wechselseitig verstärkender Institutionen entgegen.“
Die Nato will, daß Rußland der Nato-Initiative „Partnerschaft für den Frieden“ beitritt. Der russische Verteidigungsminister Pawel Gratschow hatte vor zwei Wochen signalisiert, daß Rußland unter bestimmten Bedingungen dem Nato- Programm beitreten könne. Am heutigen Tag wird es um eben jene Bedingungen gehen. Mit besonderer Spannung wird deshalb das Treffen von US-Außenminister Warren Christopher mit seinem russischen Amtskollegen Kosyrew noch vor Beginn des offiziellen Nato-Konsultationsrates erwartet.
Weiteres Konfliktpotential birgt der Vertrag über die Begrenzung konventioneller Streitkräfte in Europa. Rußland fordert Nachverhandlungen, weil sich die militärstrategische Situation seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion geändert hat. Insbesondere will Rußland Truppenkontingente in die kaukasischen Staaten verlegen. Eine Forderung, die insbesondere vom Nato-Land Türkei, das an den Kaukasus grenzt und eine gemeinsame Grenze mit Armenien und Georgien hat, kategorisch abgelehnt wird.
Nato-Tagungen sind immer gut für Scheingefechte der Medien. „Türkische Ministerpräsidentin droht Griechenland mit Krieg“, hieß es in Agenturmeldungen, die auf einem Interview Tansu Çillers mit der türkischen Tageszeitung Milliyet beruhten. Es ging um Griechenlands Forderung, seine Hoheitsgewässer in der Ägäis von 6 auf 12 Meilen auszuweiten. Doch die Äußerungen Çillers waren von der Tageszeitung aus ihrem Kontext gerissen worden. Einen Tag später dementierte der türkische Außenminister Hikmet Cetin. Sein griechischer Kollege Karolas Papulias erklärte: „Wir sind nicht erfreut über die Gerüchteküche und wollen keine künstlichen Spannungen.“ Ömer Erzeren
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