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Der E-Typ

■ Detlef Janssen und der Jaguar E : „Der Traumwagen schlechthin“ / Von einem echten Fan, der nie ein eigenes Auto besessen hat, dafür aber mehr als 300 in den Vitrinen / Bilder, Videos, Modelle - Hauptsache E / Ein Autogramm von Jerry Cotton

Wie das alles angefangen hat? Jaa, da muß Detlef Janssen richtig überlegen. Irgendwann, so vor 12 Jahren, hat er sich einen für den Schreibtisch gekauft, „und ab da konnte ich an keinem mehr vorbeigehen. So ist eines zum anderen gekommen.“ Und schon ist die Wohnung zu klein. Detlef Janssen hat eine große Liebe, und die heißt E-Type. Janssen: „Das schönste Auto der Welt, der Traumwagen schlechthin.“ Jedenfalls eine Legende. Ein Sportwagen der englischen Firma Jaguar, gebaut zwischen 1961 und 75. An sich nichts Besonderes, wenn da nicht die unendlich lange Motorhaube wäre. „Das war damals eine Revolution. Die anderen hatten das lange Heck“, sagt der Kenner. Das ist das Geheimnis des E, die Vorstellung, wie sich die Blechzigarre in die Landschaft schiebt, das macht die Knie weich. Mit einem Modell für den Schreibtisch hat es angefangen, und jetzt ist Janssen „so bei 600 bis 630“. Die verschrammten hat er auf einem Haufen drapiert: „Das ist meine Schrotthalde. Diese Jahr kauf ich noch –ne Vitrine, aber dann ist Schluß mit dem Platz.“

Janssen lebt in einer Zweizimmerwohnung mitten im Viertel. Keine Ecke, die nicht bis obenhin vollgestellt und vollgehängt wäre mit Jaguar E in allen Variationen. Wenn auch nur die Rücklichter eines E zu sehen sind – Janssen will das Bild. Die gammeligsten Plastikmodelle – her damit. Verrostete Blechautos, als Jaguar getarnte Kissen – sowieso. Poster, Comics, angegilbte Illustriertenanzeigen – na klar. Bücher – jede Menge. Ein Videospiel mit einem E, Werbefilme, Plattencover – super. Janssen: „Eine Platte kommt aus Hong Kong, da weiß ich gar nicht, wie der Sänger heißt. Ist ja alles chinesisch.“ Macht aber nichts, Hauptsache Jaguar. Nichts, wo nicht der E draufsein könnte – und Janssen ist interessiert. Janssen, Anfang dreißig, und jeden Tag damit beschäftigt, Kontakte in aller Welt zu halten. Ein Fulltime-Hobby, da ist auch keine Familie, die ihm die Zeit stehlen könnte. Aber was sagen denn da die Freunde dazu? Da stockt er lange: „Ja, was sollen die denn dazu sagen?“ Und eine ganze Weile später sagt er: „Einige finden's gut.“

Im richtigen Leben arbeitet Janssen beim Weser Kurier. Wenn dort der Trägerdienst nicht funktioniert, dann wird Janssen aktiv. Den lieben langen Tag sitzt er im Auto und fährt kreuz und quer durch die Stadt, um die Zeitungen nachzuliefern. Und nach Feierabend beschäftigt er sich wieder mit Autos? Nein, nicht mit Autos, mit einem Auto, dem einen Auto. Einen eigenen Wagen hat er nie besessen, der Autobesessene. „Kann ich mir auch gar nicht vorstellen“, sagt er. „Das einzige, was ich mir kaufen würde“ – aber das ist sowieso klar.

Ein paarmal hat er den E auch schon selbst fahren dürfen, aber das ist schon Jahre her. Da wohnte einer am Osterdeich, der hatte einen. Und was ein echter Fan ist wie Janssen, der kriegt so einen Autobesitzer auch rum. So durfte der Sammler mit dem Original durch Bremen kutschieren, ach. Und, weiche Knie gekriegt? „Nöö. Muß man sich halt dran gewöhnen, daß man gar nicht sieht, wo das Auto vorne und hinten zuende ist. Der ist ja total unübersichtlich.“ Bei aller Liebe, der Wagen hat seine Macken: Die Bremsen und die Stoßstange zum Beispiel. „Die ist nur Verzierung. Ich mach ja keine Heldenverehrung in dem Sinne.“ Der Jaguarbesitzer ist längst weggezogen und hat seinen Wagen verkauft.

Janssen hat seine Devotionalien. Und an die kommt er mit einer ganz speziellen Taktik aus Beharrlichkeit und Charme. Wo immer er eine Adresse erahnt, über die er an Jaguarisches herankommen könnte, schreibt er hin. Und er legt Fotos bei von seiner Sammlung und Farbkopien von der Janssen Top-Ten, den zehn begehrtesten Objekten. „Damit die Leute sehen, daß ich kein Spekulant bin, soindern ein echtere Fan.“ Irgendwas geht immer. Neulich zum Beispiel, da hat er einen englischen Posterhändler angeschrieben, weil er die Originalzeichnungen von Werbeplakaten haben wollte. Die konnte ihm der Mann nicht besorgen, aber : Der Großvater des Händlers hat als Konstrukteur bei Jaguar den Zwölfzylindermotor für den E entwickelt.

Sammler sind treue Menschen. Jahrelang hält Janssen seine Kontakte. Zu den beiden anderen E-Spezialisten im Land sowieso. Aber beispielsweise auch zu einem Sammler von Tretaustos. Und siehe da, eines Tages hatte der einen E. „Da hab ich zwei Jahre drauf gewartet.“ Und ein ganz seltenes Modell hat er nur gekriegt, weil auf einem seiner Fotos seine Katze mit drauf war. Da wurde der Sammler weich und verschenkte den Spielzeugjaguar – von Katzenfreund zu Katzenfreund.

Ein E als Radio, einer als Bleistiftanspitzer, als Teekanne, aus Holz oder Bronze, all die Variationen zu beschreiben würde Seiten füllen. Dabei sind es oft gar nicht die teuersten Stücke, die das Sammlerherz höher schlagen lassen. „Der hier zum Beispiel“, sagt Janssen und hebt zärtlich ein quietschbuntes Weichplastikauto aus einem Vitrinenschrank, das entfernt an den E erinnert, „der ist aus einer zehn Pfennig-Wundertüte. Den hat keiner. Sowas findet man selbsr oder gar nicht“ Oder den aus tannengrünem Glas, bei dem man das Heck abschrauben kann, eigentlich ein Flakon – für After Shave aus den USA. „Der ist total selten, den hat erst recht keiner, schon gar nicht in der Originalverpackung.“ Absolut einmalig ist allerdings ein Stück, das in einer der Vitrinen zwischen Blechmodellen und einem E in Bronze steht: Ein Jaguar E, gehäkelt, in beige. „Hat mir eine Bekannte gemacht.“

Einen Richtigen haben, ganz für sich – „Ein Traum wär– das schon.“ Und wenn er ehrlich ist, sagt Detlef Janssen, dann hätte er das Geld schon beisammen. „Wenn ich alles hier zusammenzähle“, sagt er und guckt sich um in seiner Wohnung. Aber irgendwie ist das auch nicht die Alternative. Was ist schon ein einziger Jaguar gegen hunderte? Und mit den Besitzern von den echten Jaguars ist er ohnehin nicht so besonders gut ausgekommen. Da ist der Kontakt zu den Sammlern doch viel netter. Und am allergrößten sind die Geschichten, wenn die Sammelleidenschaft nach außen platzt. Da wear dioch zum Beispiel mal ein Werner-Comic, bei dem in einem Bild ein Jaguar E aufgetaucht ist. Was macht da der echte Freak? Na klar: Er schreibt einen netten Brief an den Werner-Zeichner Brösel, ob der denn nicht die Originalzeichnung rausrücken könnte. Konnte der nicht, weil der Verlag nochwas damit vorhatte. Aber Brösel zeichnete Ersatz. Und so kam Janssen zu einer original und extra Jaguar E-Zeichnung vom Meister persönlich signiert. Die hängt jetzt an der Wand, in Nachbarschaft von Jerry Cotton. Denn der fuhr in all seinen Filmen – na, was wohl. Da ist es schon ziemlich normal, daß Janssen ein Autogramm vom Cotton-Darsteller George Nader an der Wand hat.

Ist die Sammlung komplett? Nie! Gibt es noch Objekte, die Herzklopfen verursachen können? Aber immer! Da ist die top ten der raren Modellautos. Und da ist noch etwas. Janssens Sammlung hat Lücken. Es gab nämlich, es ist die reine Wahrheit, Lore-Romane, beio denen auf dem Titel ein Auto zu sehen war, ein ganz bestimmtes. Vielleicht könnten die LeserInnen ja mal auf dem Daschboden nachgucken. Jochen Grabler

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