■ Schnittplatz: Grober Klotz
Das RTL-Nachtjournal sei eine der wenigen Sendungen des Kölner Kommerzkanals, für das sich die Mitarbeiter nicht schämen müßten, schrieben wir kürzlich. Das ist zu revidieren. Am Mittwoch sudelte sich das Journal, bar jeden Anstands, im widerlichsten Schmuddeljournalismus.
In Köln vermißt eine Mutter seit Tagen ihr Kind. Am Mittwoch wurde die Leiche des kleinen Kevin gefunden, die Tagesmutter und deren Angehörige als Tatverdächtige verhaftet. RTL zeigt die leibliche Mutter. Sie ist gezeichnet, ihre Beine wippen hospitalistisch. Sie schaut nicht in die Kamera, blickt nach unten, aber sie will sprechen. Was sie bräuchte, ist ein Arzt und psychotherapeutische Betreuung. Was sie bekommt, ist Starreporter Uli Klose von RTL.
Klose nähert sich behutsam: wie sie es denn erfahren habe, ob die Polizei sie fair behandelt habe, ob sie sich das denn habe vorstellen können, daß ausgerechnet Kevins Tagesmutter die Tatverdächtige sei. Nein, sie will es nicht wahrhaben.
Dann kommt, worauf Klose hinaus will. Er spricht vom Fall Bachmeier, ob sie dafür Verständnis habe? Aber Klose hat Pech, den Fall Bachmeier kennt die Mutter nicht. Also wird er deutlicher, was sie tun wolle? Sie will sich rächen. Dann endlich Höhepunkt und Schluß des Gespräches: sie würde den Mörder ihres Kindes töten. Kein Zweifel: hier leistet RTL Beihilfe zum Mordgedanken.
Klose war während des Interviews nie im Bild. Die Kamera blieb auf der Mutter. Als Zwischenschnitt dienten die wippenden Beine. Nur einmal sahen wir Kloses Hand. Er streichelte die Frau am Oberarm. Ein Kontakt zwischen Fremden, eine Geste des Trostes. Weil wir die Hand aber zu Beginn des Interviews sahen, verriet die Geste ihren Zweck: was Mitgefühl sein könnte, war Zurichtung.
Auch wenn Kloses Stück wie ein roher, geschmackloser Klotz aus der Sendung herausragte, selbst wenn Heiner Bremer sichtbar indigniert sofort zum Anmoderieren der deutsch-französischen Freundschaft überging – letzlich ist Bremer, der Mann mit dem vertrauensbildend silbernen Haupthaar, verantwortlich, wenn das Nachtjournal derart gemeingefährlich „explosiv“ wird.Bernd Gäbler
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