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Bajuwaren-Müll -betr.: "Muß ein neuer Ofen wirklich her?", taz vom 3.6.94

Betr.:“Muß ein neuer Ofen wirklich her?“, 3.6.94

München ist das El Dorado der Müllvermeider, so suggeriert Florian Marten zu Anfang seines Artikels. Die wackeren Bajuwaren haben es angeblich geschafft, eine ganze Müllverbrennungsanlage überflüssig zu machen. Doch guckt man sich die genannten Zahlen etwas genauer an und hat im Hinterkopf, wie groß München ist, sieht die Sache schon anders aus.

1,2 Millionen Tonnen Abfall fielen in München an - das sind bei einer Bevölkerung von ebenfalls 1,2 Millionen satte 100.000 Tonnen Müll pro 100.000 Einwohner. Zum gleichen Zeitpunkt machten 1,63 Millionen Hamburger 1 Million Tonnen Müll - rund 61.000 Tonnen pro 100.000 Einwohner. Vorsichtig ausgedrückt, hatte München 1989 wohl einigen Nachholbedarf, was die Vermeidung und Verwertung angeht. Fünf Jahre später, so zitiert die taz den Münchener Umweltreferenten, produzierten die Träger der langlebigen Lederhosen nur noch 840.000 Tonnen Müll. Da ich die genaue Bevölkerungsentwicklung in München nicht kenne, gestehe ich der bayerischen Landeshauptstadt einfach 100.000 Einwohner mehr als 1989 zu. Dann sind pro 100.000 Münchener 64.615 Tonnen Müll angefallen. Da Hamburg nicht so vorausschauend ist wie München, liegen hier die 94er Zahlen noch nicht vor. 1993 aber produzierten 1,7 Millionen Hamburger 973.000 Tonnen zu entsorgende Abfälle - also 57.235 Tonnen pro 100.000 Hamburger. Nächstes Jahr nun soll der Münchener Müllberg auf 710.000 Tonnen geschrumpft sein - 54.915 Tonnen pro 100.000 Einwohner. Hamburg geht von 950.000 Tonnen, d.h 55.800 Tonnen pro 100.000 Einwohner, aus.

Fazit: Vorausgesetzt die genannten Zahlen stimmen und sind miteinander vergleichbar (was man besonders bei Abfallstatistiken nie genau weiß) hätte München im nächsten Jahr endlich mit Hamburg gleichgezogen. Was dort in der Vergangenheit mehr an Müll produziert wurde, soll nicht aufaddiert werden.

So viel zum gelobten Bayern-Land; nun zu dem am Ende des Artikels vorgenommenen Versuch, vorzurechen, daß eine zusätzliche Verbrennungskapazität bei einer "etwas aktiveren Müllpolitik" überflüssig wäre: Bemerkenswert ist erst einmal, wie so getan wird, als würden die "heute noch rund 950.000 Tonnen" (es waren 1993 973.000 Tonnen!!!) ganz von selbst auf 820.000 Tonnen Müll absinken, und das trotz der ja vermeintlich so schnarchnasigen Müllpolitik Hamburgs. Tatsächlich sehen die Prognosen der Umweltbehörde vor, daß je nach Bevölkerungswachstum und dem Erfolg von Vermeidungs- und Verwertungsanstrengungen von einer Restmüllmenge auszugehen ist, die zwischen 950.000 und 830.000 Tonnen (nicht 820.000) liegen wird. 830.000 Tonnen ist dabei eine Zielgröße, die langfristig erreichbar ist, wenn alle nur denkbaren Vermeidungs- und Verwertungsanstrengungen greifen. Bei weitem Bevölkerungswachstum hingegen wird es in den nächsten Jahren schon einiger Anstrengungen bedürfen, das Restmüllaufkommen erst einmal bei 950.000 Tonnen zu stabilisieren. Daß die Einführung der Kompostierung in beiden Fällen notwendig und deshalb berücksichtigt ist, ist eigentlich logisch. In jedem Fall kann ich sie nicht einmal bei der Vermeidung/Verwertung anrechen und dann ein zweites Mal bei den zur Verfügung stehenden Ent-sorgungskapazitäten - wie in dem Artikel geschehen. Im übrigen ist die Zeit der Deponierung vorbei, und deshalb braucht man - wie bei der Wasserversorgung oder Stromversorgung - Reservekapazitäten.

Aber tun wir doch einfach mal so, als könnte Hamburg mit der propagierten Entsorgungskapazität von 750.000 bis 780.000 Tonnen auskommen. Bei weiterhin 1,7 Millionen Einwohnern wären das zwischen 44.120 und 45.880 Tonnen pro 100.000 Einwohner. Um das zu erreichen, müßte das so vorbildliche München seinen heutigen Müllberg von 840.000 Tonnen noch einmal um 240.000 bis 270.000 Tonnen verringern.

Ich hoffe, die taz berichtet dann darüber, wie die Bayern das geschafft haben und recheriert, wo der Müll geblieben ist. Hamburg jedenfalls schafft sich mit einer Ent-sorgungskapazität von 950.000 einen Rahmen, der es erlaubt, nicht jeden Müll zum Wertstoff umdeklarieren zu müssen und daher auch nicht jeden ökologisch bedenklichen Recycling-Schwachsinn mitzumachen.

Mit freundlichen Grüßen von der "Pyromanen-Fraktion"

Kai Fabig,

Sprecher der Umweltbehörde

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