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Nur Kitsch fürs Homo-Gemüt

■ Hamburgs Christopher-Street-Day: Demonstrieren und feiern die Lesben und Schwulen und wenn ja, warum nicht? Von Annette Bolz und Martin Borchers

Die Homo-Metropolen Hamburg, Berlin und Köln standen seit jeher in einer Art Wettkampf der Eitelkeiten – welche ist die schillerndste, schönste, politischste? In vielen Disziplinen kann die Hansestadt mithalten, im Bereich der Lesben- und Schwulenpolitik befindet sie sich aber mittlerweile auf Provinz-Niveau. Während in Köln und Berlin wahrscheinlich wieder rund 30.000 DemonstrantInnen auf den alljährlichen Christopher-Street-Day-Demos zu sehen sein werden – um der ersten großen Schwulen- und Lesben-Revolte am 25. Juni 1969 in besagter New Yorker Straße politisch nachzueifern – passiert in Hamburg dieses Jahr zunächst mal nichts.

Erst vom 8. bis zum 10. Juli, Wochen nach Berlin, Köln, Amsterdam und New York, soll in Hamburg ein schwul-lesbisches Jahresfest stattfinden: mit Bier, ein bißchen Kleinkunst, Karaoke und einer Disco.

Als Anfang der Achtziger in Deutschland die Tradition der Christopher-Street-Day-Demo, kurz: CSD, aufgenommen wurde, stellte Hamburg 1981 mit 2500 DemonstrantInnen noch die Spitze der Bewegung dar. Denn der CSD ist für die Lesben und Schwulen genauso Ausdruck ihres Selbstverständnisses wie für Frankreich der Nationalfeiertag. Anfang der 90er Jahre jedoch mußten die Demos mangels Masse eingestellt werden. Ursache dafür war und ist nicht nur die Politikmüdigkeit der Szene, sondern auch der Dilettantismus der örtlichen Organisation.

Wenn Veranstaltungen stattfanden, lag es an EinzelkämpferInnen, die sich in einer „das kann doch nicht wahr sein“-Stimmung zusammenrauften. 1994 bestand diese trotzige Koalition nur aus VertreterInnen schlapper sieben Grüppchen, neben dem MHC und „Hein & Fiete“ Exoten wie die schwulen Zauberer „Pink Wizzards“.

Abgesandte der „Schwusos“ (schwule Sozialdemokraten), der Schwulen in der ÖTV oder des Bundesverbandes Homosexualität ließen sich nicht ein einziges Mal auf den Vorbereitungstreffen blicken, ganz zu schweigen von lesbischen Polit-Aktivistinnen.

Dabei wäre eine erneute Politisierung des CSD notwendig: Es gibt immer noch (oder schon wieder) Gewalt gegen Lesben und Schwule, schwule Nazis treiben ihr Unwesen, die Verfolgung wegen Homosexualität wird nicht als Asylgrund anerkannt, homosexuellen Sozial-Einrichtungen wird das Staats-Geld verweigert oder entzogen.

Die sieben Grüppchen jedoch stellten am Anfang ihrer Planungen fest, daß es nichts zu fordern gebe und traten die CSD-Organisation an ein Dutzend homosexuelle WirtInnen aus St. Pauli ab. So planten unter anderem das „Schmidt's“ und das „Camelot“ die dreitägige Party auf dem Spielbudenplatz. Doch ein Termin für dieses Wochenende (gestern und heute) konnte nicht eingehalten werden, schließlich braucht ein Straßenfest Getränkestände, und die befinden sich zur Zeit alle auf der „Kieler Woche“.

Jan Salomon, der als „Tivoli“-Mitarbeiter die organisatorische Koordination des Festes übernommen hat, gibt zu, daß „keine großen Knaller“ zu erwarten sind, sondern eher eine „nette Family-Fete“. Dazu passend: der nette politische Anstrich.

Neben einem GAL- und einem Schwuso-Stand soll für das Aids-Pflegeprojekt „Hamburg Leuchtfeuer“ geworben und gesammelt werden. Aber auch hier wurde versäumt, Hamburgs Verschleppungstaktik bei der Finanzierung von Aids-Pflegeeinrichtungen zu kritisieren, stattdessen sollen ohne inhaltliche Begleitung tausend pink fluoreszierende Herzen für den guten Zweck an Männer und Frauen verscherbelt werden.

Keine Homo-Politik in Hamburg – nur Kitsch gegen das schlechte Gewissen und fürs Gemüt.

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