: Nicht ohne meine Oberarme
■ Kristin Willis und das Lesbenleben bei der US-Marine
Oslo (taz) – Homosexuelle dürfen beim Militär nicht diskriminiert werden. Das wollte US-Präsident Clinton durchsetzen und stieß auf energischen Widerstand. Einzige Veränderung, die Clintons Vorstoß bisher gebracht hat: Lesben und Schwule werden nicht mehr „unehrenhaft“ entlassen. Jetzt haben sie die Wahl „beurlaubt“ zu werden und abzuwarten, bis das neue Anti-Diskriminierungs-Gesetz verabschiedet ist. Oder sie quittieren den Dienst mit einem wohlwollenden Zeugnis, mit dem sie leichter einen Job finden als vorher, ohne Vermerk „unehrenhaft“.
Kristin Willis ist Lesbe und will weder entlassen noch beurlaubt werden. Der Job macht ihr Spaß. Im Dienst der US-Marine koordinierte sie während des Golfkrieges die Arbeit der Minensucher im heißen Wüstensand. Jetzt sitzt Kristin im kalten Norwegen und organisiert Manöver in Nordeuropa. Den neuen Arbeitsplatz hat sie sich ausgesucht. „Hier kann ich eine eigene Wohnung haben und eine Freundin. Wenn ich in der Stadt bin, treffe ich nicht ständig auf Kollegen“, sagt sie. Die Alternative wäre der Dienst auf einem Schiff gewesen: viel Wasser und mit Sicherheit kein Sex mit Frauen.
Kristin kennt noch mehrere Lesben und auch Schwule. Über ihr Privatleben können sie nur reden, wenn sie unter sich sind. Ein Doppelleben für eine gute Ausbildung und die Chance, etwas von der Welt zu sehen. Das waren die Gründe für Kristin, überhaupt zum Militär zu gehen. Weil sie sich für eine Arbeit im Sicherheitsbereich beworben hatte, mußte sie einer Kommission alles aus den letzten zehn Jahren ihres Lebens erzählen. Gefragt wurde auch nach den sexuellen Kontakten. Lesben und Schwule haben keine Chance.
Nur Männer und Wasser
Für Kristin aber war das kein Problem. Sie hatte sich mit 18 Jahren beworben und noch nie Sex. Das sie lesbisch ist, merkte sie erst später, als sie auf einer Marinebasis ihre erste Freundin kennenlernte.
Als Kristin sich beim Militär bewarb, hat sie sich nie vorstellen können, jemals an einem Krieg teilnehmen zu müssen. Zu Beginn ihrer Dienstzeit war sie auf den Philippinen stationiert. Plötzlich kam der Befehl: Abmarsch in die Wüste. „Das war heftig im Golfkrieg. Jede Nacht Alarm“, sagt Kristin, „ich hatte viel Angst. Dazu kam, daß ich arabische Männer herumkommandieren mußte. Es gab reichlich Probleme, weil die nicht gewohnt sind, Befehle von einer Frau zu erhalten.“
Trotz aller Widrigkeiten ist Kristin froh, beim Militär gewesen zu sein. Sie habe eine Menge gelernt über das Leben. Dennoch freut sie sich, in gut einem Jahr alles hinter sich zu haben. Allerdings stehen noch 13 Monate Schiffsdienst auf dem Plan. Das heißt im Klartext: 90 Prozent Männer und viel Wasser, eine Koje, ein Schrank mit ihren persönlichen Sachen und keine, mit der sie reden kann. Selbst bei Landgängen ist Kristin immerzu von anderen SoldatInnen umgeben. Kaum Chancen für einen Abstecher in eine Lesbenbar.
Nicht nur ihre Sexualität muß Kristin verstecken, sondern auch ihre Oberarme. Im letzten Urlaub, ließ sie sich in Paris eine neue Tätowierung machen. Wenn ihre Vorgesetzten das entdecken, bekommt sie eine Strafe. Zum Beispiel erhält sie einen Monat Dienstsperre. Dadurch verlängert sich die Militärzeit. Wie sie den Eiertanz hinkriegt, ihren Körperschmuck geheimzuhalten, hat Kristin nicht verraten.
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