: Selbst das Mathebuch ist hetero
Lesben und Schwule kommen in der Schule nur selten vor / Die Diskriminierungen sind oft subtil / Nach den schwulen Lehrern beginnen sich nun auch die lesbischen Lehrerinnen zu vernetzen ■ Von Eva Gläser
Durch die Schule müssen alle, an dieser Institution kommt niemand vorbei. Trotzdem kommen einige SchülerInnen in keinem einzigen Fach vor. Anke zum Beispiel, Schülerin aus Bremen, findet sich in den Lehrberichten ihrer PaukerInnen nicht wieder. „Alles läuft nach deren heterosexuellem Schema ab, selbst bei den engagierten Lehrern“, kritisiert die achtzehnjährige Lesbe frustriert.
Anke weiß schon lange, daß „Heteros ganz anders denken“, und träumt von Veränderung. Ein lesbisches Paar im Schulbuch statt der dort üblicherweise abgebildeten konventionellen Kleinfamilie, das wünscht sie sich. „Die Heteros müssen das mal überdenken. Wir kommen ja nirgends vor.“
Während in den Kultusministerien mit wachen Augen geprüft wird, ob Frauen aktiv, Männer alleinerziehend und ausländische SchülerInnen gleichberechtigt in den Schulbüchern und Arbeitsheften dargestellt werden, verdunkelt sich bei Lesben und Schwulen ihr Blick. Sie kommen nicht vor.
Und wie geht es Lesben und Schwulen vor der Tafel? Dort dominiert das Schweigen und Taktieren. Nur wenige lesbische Lehrerinnen und schwule Lehrer leben ihre Homosexualität offen.
Was macht ihnen angst? Dienstlich belangt worden ist deswegen schon seit Jahrzehnten niemand mehr. Hartwig Schröder, Justitiar von der GEW (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft) Hessen, kann sich an keinen Fall erinnern. Und er sei immerhin schon seit über zehn Jahren im Amt. Auch sein Kollege in der Bundesrechtsstelle der GEW, Paul Michel, bestätigt diese Aussage.
Also alles nur Spuk? Schreckgespenster im eigenen Kopf? Kontrovers wird auch innerhalb der „AG lesbische Lehrerinnen, Erzieherinnen und Wissenschaftlerinnen“ in der GEW Berlin diskutiert. „Ob wir diskriminiert sind oder uns nur diskriminiert fühlen, darüber gibt es bei uns verschiedene Ansichten“, sagt Jutta von der AG. Sie möchte es darauf aber nicht beruhen lassen. Die Zahl von über 200 lesbischen Frauen, die in den vergangenen Jahren die Berliner Gruppe aufsuchten, um sie dann nach wenigen Treffen wieder zu meiden, spreche ihrer Ansicht nach deutlich für die vorhandenen Ängste der Frauen. „Es gibt ganz offene und auch subtile Diskriminierungen in der Berufswelt und in der Gewerkschaftsarbeit.“
Eine andere AG-Frau fügt hinzu: „Jemand, der unsere Lebensform nicht akzeptiert, braucht dies nicht offen zu sagen, sondern findet immer einen Grund, uns eins auszuwischen.“ Dagegen hält eine andere Frau der Gruppe, daß keine der Kolleginnen, die ihr Coming-out am Arbeitsplatz hatten, von tatsächlichen Diskriminierungen berichtet, im Gegenteil: Von einem gestärkten Selbstbewußtsein sei die Rede.
Bisher gibt es nur wenige Gruppen wie die Berliner Arbeitsgemeinschaft der GEW, die Unterrichtsmaterialien erstellen und Vorträge zum Thema Homosexualität halten. Die AG plant zur Zeit das erste bundesweite Treffen über „Lesben und Schule“, das von 30. September bis 3. Oktober bei Berlin staffinden soll.
Verändern, aufklären und sich öffnen wollen auch Lesben und Schwule außerhalb der Schule. In Berlin stößt das Aufklärungsprojekt des Vereins „Lambda“ auf regen Zuspruch. Mitarbeiter Ralf Sagner will „dort aufklären, wo die Vorurteile gegen Schwule und Lesben sich bilden“. Getrennt können die Jungen mit einem Schwulen sprechen und die Mädchen mit einer Lesbe: „So wird offeneres Reden möglich.“
Bundesweit vernetzt haben sich alle Projekte, die in Schulen arbeiten, seit drei Jahren. „Wir von der GEW unterstützen diese Projekte, die von außen zu uns in die Schule kommen, indem wir ihre Dokumentation und Flugblätter drucken“, erklärt Detlev Mücke von der „AG Schwule Lehrer“.
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