: SPD: Streiten, Plappern, Deuteln
■ Vor dem Wahlparteitag wieder fröhliche Strategiedebatte / Hessen-Süd klar für Rot-Grün
Berlin/Bonn (taz/AP/AFP) – Die SPD treibt „Ziege“ Scharping aufs Grün: Wenige Tage vor dem Wahlparteitag in Halle hat die Koalitionsfrage für erhebliche Unruhe bei den Sozis gesorgt. Präsidiumsmitglied Heidemarie Wieczorek-Zeul plädierte beim Bezirksparteitag der SPD Hessen-Süd eindeutig für eine rot-grüne Koalition. Der zweitstärkste SPD-Bezirk im Lande beschloß, daß eine „Erneuerung in Deutschland“ mit der FDP nicht machbar sei: „Daraus ergibt sich eine klare Priorität für ein sozial-ökologisches Bündnis.“ Der Sprecher des linken „Frankfurter Kreises“, Detlev von Larcher, sprach sich gegenüber der taz zwar gegen eine Koalitionsaussage zum jetzigen Zeitpunkt aus, rechnet jedoch für den Parteitag am Mittwoch mit heftigen Debatten. Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder kritisierte die Wahlkampfstrategie heftig, weil sie zu sehr auf den designierten Kanzlerkandidaten Scharping zugeschnitten sei, der am Mittwoch in Halle gekürt werden soll. Die Koalitionsfrage aber ließ Schröder halbwegs offen: Es müsse ein Bündnis sein, mit dem „wir unser Reformprogramm am ehesten durchsetzen können“. Der Ministerpräsident kritisierte im Spiegel, die SPD könne „mit Law-and-order-Parolen nicht mit der CDU konkurrieren und schon gar nicht gewinnen“. Auch SPD-Generalsekretär Günter Verheugen wollte sich nicht festlegen – vor der Wahl werde es keine Koalitionsaussage geben. Scharping selbst sprach sich am Samstag gegen die Festlegung auf Rot-Grün aus.
Der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Peter Struck warnte ebenfalls vor einer Koalitionsaussage zugunsten der Grünen, deren Programm er „unsolide und unausgewogen“ nannte. Es enthalte im wirtschafts- und finanzpolitischen Teil „nur Folter- und Marterinstrumente für den Normalbürger, die Sozialdemokraten nie mittragen könnten“. Er kritisierte auch den außenpolitischen Teil mit den Forderungen nach Nato-Austritt und Abschaffung der Bundeswehr. Parteivize Wolfgang Thierse schloß eine Koalition mit der FDP nach der Bundestagswahl nicht aus. Zwar könne die programmatische Nähe zu den Grünen zur Zeit größer sein als zu anderen Parteien, aber es sei offen, welche Verhandlungen im Oktober zu welchem Ergebnis führten.
Die CDU wies am Sonntag aber Zeitungsberichte zurück, wonach die Union eine Gemeinschaftsaktion mit der SPD starten wolle, um die Rückkehr der PDS in den Bundestag zu verhindern. CDU-Generalsekretär Peter Hintze erklärte in Bonn, es werde keine „Wahlabsprachen“ geben. Wolfgang Thierse versicherte im Radio: „Es wird keine Koalition zwischen SPD und PDS geben, weder auf Bundes- noch auf Landes-, noch auf kommunaler Ebene.“ Ein Zusammenarbeit in den Gemeinden sei jedoch denkbar. Die PDS kündigte unterdessen an, daß sie eine Minderheitenregierung der SPD in Sachsen- Anhalt unterstützen würde. Die Hannoversche Allgemeine hatte berichtet, der CDU-Bundesvorstand habe über einen Anti-PDS-Pakt mit der SPD beraten. Ziel der Aktion solle es sein, die PDS in ihren Hochburgen so weit zu schlagen, daß die SED-Nachfolgepartei kein Direktmandat erringen könne. Interview Seite 2
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