: Die Sparfässer des Voscherau-Intimus Mirow
■ Neue „Giftliste“ vorgelegt: Sparen, kürzen, privatisieren, verkaufen
„Sparen ohne Tabus“: Was sich Hamburgs Bezirksämter unter dieser von Bürgermeister Henning Voscherau ausgegebenen Losung vorzustellen haben, ist jetzt in einem sechsseitigen Papier nachzulesen (siehe Kasten). Darin macht das Senatsamt für Bezirksangelegenheiten 72 Sparfässer auf – nicht nur die Streichung oder Verlagerung bezirklicher Aufgaben wird darin vorgeschlagen, enthalten ist auch die Vorgabe, bis zum Jahr 1997 insgesamt fast 800 Stellen abzubauen.
Ob Verzicht auf Schuldnerberatung oder Auflösung der bezirklichen Liegenschaftsämter, Einschränkung der Sitzungshäufigkeit der Bezirksparlamente oder Privatisierung der Horner Rennbahn – das Senatsamt unter Leitung von Thomas Mirow, Voscherau-Intimus und nebenbei noch Stadtentwicklungssenator, hat seine 72 Sparvorschläge sauber durch alle Bezirksebenen dekliniert. Wie verbindlich das Papier mit dem Titel „Ansatzpunkte für Aufgabenkritik und Einnahmeverbesserungenen“ jedoch sein soll, darüber herrscht zumindest unter den Personalräten in den Bezirken Unklarheit. „Jetzt wird's ernst“, so deutet Harburgs Personalratsvorsitzender Jürgen Meyer Mirows „Giftliste“. Harburg soll bis 1997 immerhin 106 von 1496 Stellen abgebaut haben, schon zum 1. Januar 1995 sollen 26 frei werden.
Und da liegt für die Gewerkschaft ÖTV der Hund begraben. „Wir sind uns darüber im Klaren, daß wir sparen müssen“, so Meyer, „aber das muß doch politisch gesteuert geschehen und nicht nach dem Zufallsprinzip“. Sollten die Stelleneinsparungen ohne Kündigungen vonstatten gehen, müßten die Stellen gestrichen werden, die als erste frei werden. Mit Aufgabenkritik und Modernisierung der Verwaltung habe das wenig zu tun.
Auch die Hamburger ÖTV-Bezirksvositzende Margrit Zepf fragt angesichts der Vorlage: "Sparen ohne Verstand?“. Sie entdeckte das „hausbackene Prinzip“ des „unten Kosten sparen, oben alles unverändert lassen“. Beispiel: Der Vorschlag, die Reinigungsdienste zu privatisieren. Rund 250 Frauen arbeiten pro Bezirk auf Stundenbasis, aber tariflich entlohnt. Private Reinigungsfirmen stellen in der Regel jedoch nur zumeist auf 560 Mark-Basis (nicht sozialversichert) ein.
Anderes Beispiel: Die geplante Schließung der bezirklichen Anzuchtgärtnereien. Hier, so die Personalräte der Bezirke, hätten Jugendliche ohne Hauptschulabschluß in der Vergangenheit erfolgreich ihre Ausbildung machen und anschließend in Arbeit vermittelt werden können. Mit der „Giftliste“, so Zepf, werde nun jedoch die Chance vertan, Entscheidungsbefugnisse im öffentlichen Dienst neu zu ordnen: „Die Diskussion um ein neues Selbstverständnis bleibt wieder auf der Strecke.“ Sannah Koch
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