Der junge alte Mann mit dem neuen Profil

■ Der neue PS-Chef Henri Emmanuelli ist Ex-Bankier, Ex-Staatssekretär, Ex-Schatzmeister, Ex-Parlamentsvorsitzender – und vor allem kein Rocard-Anhänger

Wenn einer nicht nur Politik studiert hat, sondern auch noch einen korsischen Hirten als Großvater und einen kommunistischen Elektriker als Vater vorweisen kann, dann qualifiziert ihn schon sein familiärer Hintergrund als Parteilinken der französischen SozialistInnen. Und wenn er dann noch nach der verheerenden Niederlage seiner Partei bei den Europawahlen am 12. Juni knallige Antworten parat hat, als Politiker kein Unbekannter ist und zudem als Vertrauter des Staatspräsidenten François Mitterrand und Intimfeind des bisherigen PS-Führers Michel Rocard gilt, dann verwundert es kaum, wenn er mit 140 zu 64 Stimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt wird.

„Die Partei hat einen Großteil ihrer Wähler verloren, weil sie sich nicht mehr um sie gekümmert hat. Wir sind elitär geworden“, klagt Henri Emmanuelli. Die Agenturen portraitieren den 49jährigen als „Freund klarer Worte“. Und genau davon erhoffen sich Frankreichs SozialistInnen ein neues Profil. Männer mit buschigen Augenbrauen scheinen sich in der europäischen Politik auch nicht schlecht zu machen – etwas Kantiges hängt ihnen an. Und wenn Emmanuelli ausruft, die Partei müsse sich als „radikaler Gegner neokapitalistischer Unterdrückungsmethoden“ profilieren, dann weiß er, wovon er redet: Schließlich begann seine berufliche und politische Karriere 1972 mit dem Eintritt nicht nur in die neue Sozialistische Partei sondern auch ins Bankhaus Rothschild, wo er es schon drei Jahre später zum Vizedirektor der Finanzgesellschaft der Pariser Banken-Union gebracht hatte. Nach mehreren vergeblichen Anläufen schaffte der damals 33jährige 1978 den Sprung in die Nationalversammlung und verdiente fürderhin seinen Lebensunterhalt als Volksvertreter.

Emmanuellis Polit-Karriere führte ihn durch diverse Ministerien und schließlich ins nationale Sekretariat der Sozialistischen Partei, deren Schatzmeister er 1988 wurde. Gelernt ist gelernt, muß sich der Ex-Banker gedacht haben, als er den Versuch unternahm, die hochverschuldete PS auf seine Weise zu sanieren – dann hätte er sich allerdings nicht erwischen lassen dürfen: 1992 mußte Emmanuelli zurücktreten, nachdem im Zuge eines ausufernden Parteienfinanzierungsskandals auch gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war.

Immerhin, meinte gestern der PS-Abspaltler Bernard Tapie – ebenfalls in dubiose Geldgeschäfte verwickelt und ebenfalls Mitterrand-Freund – hätten er selbst und Emmanuelli ein gemeinsames Thema: „Wir könnten über Ermittlungsrichter reden.“

So richtig lustig mag Emmanuelli den Karriereknick seinerzeit nicht gefunden haben – immerhin kostete ihn die Affaire auch seinen Posten als Parlamentspräsident, zu dem er im Januar 1992 gewählt worden war.

Henri Emmanuelli ist also ein relativ junger, aber wahrlich kein neuer Darsteller auf der französischen Polit-Bühne. Was ihm jetzt zur Wahl verhalf, ist wohl vor allem, daß er sich schon in Opposition zu Parteichef Michel Rocard befand, bevor dieser bei den Europawahlen mit 14,5 Prozent das schlechteste Ergebnis aller Zeiten für die PS einfuhr. „Mit Verwunderung“ habe Emmanuelli wahrgenommen, sagte er nun, daß die innerparteiliche Opposition gegen Rocard so schnell zur Mehrheit geworden sei. Ob dieser „Linksschwenk“, wie Emmanuelli es nennt, von Dauer ist, wird sich im Herbst zeigen, wenn der neue Chef regulär bestätigt werden muß. pkt