: Aus der Registrierkasse
■ ... holten die Deutschen ihr Ballgefühl, sagt der Spanier
Berlin (taz) – Was war das? Deutschland gegen Spanien 1:1. Na und – wie haben wir das Spiel gesehen? „Spanien zeigte sich von seiner guten Seite“ (La Vanguardia, Barcelona). Wie es wirklich war? Lesen Sie selbst – wobei es bei der Realismusdebatte (steinalt!) mehreres zu bedenken gibt. Auf der Suche nach der Wirklichkeit kann, unter besonderen Umständen, eine „auf Nutzen bedachte Grundhaltung“ (Duden) vorherrschen: „Wir müssen vor allem mehr in die Männer reingehen“ (Co-Trainer Rainer Bonhof, nachdem Pfeifenmann Cavani seine gelben und roten Karten auf dem Nachttisch vergessen zu haben schien). Ein Realist kann – ganz selten! – sein, wer sich müht, die „ungeschminkte Wirklichkeit“ (Duden) wiederzugeben: „Die spanische Mannschaft startete wiederbelebt gegen einen Rivalen, der Fußball mit der Gemütsbewegung einer Registrierkasse spielte“ (El pais). Ebenso selten ehrlich: Lothar Matthäus: „Wir haben noch nicht gespielt wie die Weltmeister.“ Oder Bremens Trainer Otto Rehhagel: „Wenn ich Andy Möller spielen sehe, denke ich immer an Mozart.“
Mitunter kann es sich bei den Wirklichkeitsapologeten auch um Anhänger einer „Denkrichtung, nach der eine außerhalb unseres Bewußtseins liegende Wirklichkeit angenommen wird“ (Duden), handeln. Ein Beispiel, Spaniens Trainer Javier („der Vorsichtige“) Clemente: „Man hat gesehen, warum die Deutschen Weltmeister sind.“ Warum? Zu dieser höheren Erkenntnis sei man, sagt das Fremdwörterbuch, nur durch besondere „Wahrnehmung und Denken“ befähigt. So wie man es von Jürgen Klinsmann („zum Glück hat Deutschland einen Klinsmann“ Corriere dello Sport) erwartet: „Jeder hat sein Bestes gegeben. Aber manchmal gibt es Tage, da versucht man alles, aber es kommt nicht mehr dabei heraus.“ Eine herausragende Beobachtungsgabe kann man in diesem Falle auch Thomas Berthold, unserem letzten Mann (ein guter Mann), nicht absprechen: „Wir Fußballer werden zu wichtig genommen, so wichtig sind wir gar nicht.“ Das Gegenteil von Realisten sind, wir ahnen es bereits, Idealisten. Marke Stefan Effenberg: „So ein Duseltor wird der Goicoechea in seiner ganzen Karriere nicht mehr schießen.“ Der Wunschdenker sind es viele. Darunter auch Torwart Bodo Illgner: „Ich habe mir keine Vorwürfe zu machen, und ich habe von niemandem Vorwürfe gehört.“ Und der gläubige DFB-Präsident Braun: „Allmählich sind wir auf dem Weg zur Weltmeisterschaft.“ Alles ist relativ. coh
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen