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Das Duell der Wuchtbrummen

■ Nigeria gewinnt gegen Bulgarien mit 3:0, dank der Stürmer Yekini und Amokachi – und: „Weil wir einfach zeigen wollten, daß wir kein Stück Kuchen sind“ (Trainer Clemens Westerhof)

Dallas (taz) – Als die Spieler von Nigeria und Bulgarien den Rasen der Cotton Bowl zu Dallas betraten, hatten drei der fünf illustren Stürmerduos, die dieser Weltmeisterschaft eine bei den letzten Turnieren vermißte Torfülle verleihen sollen, ihren Auftritt bereits absolviert: die Brasilianer Bebeto und Romario, die Argentinier Caniggia und Batistuta in beeindruckender Manier, die Kolumbianer Asprilla und Valencia mit bescheidenerem Erfolg.

Die beiden wuchtigsten Paare standen sich nun in Dallas gegenüber. Auf der einen Seite Daniel Amokachi und Rashidi Yekini, die Nigeria erst kürzlich zur Afrikameisterschaft geschossen hatten, auf der anderen Hristo Stoitschkow und Emil Kostadinow, dessen Tor in allerletzter Minute der WM- Qualifikation Bulgarien statt Frankreich in die USA befördert hatte.

Der Vergleich endete eindeutig. Nigeria gewann mit 3:0, Yekini („Historisch für mich“) und Amokachi schossen je ein Tor, das bulgarische Zweigespann ging leer aus. Dies lag daran, daß die afrikanischen Angreifer nicht nur treffsicherer und entschlossener waren, sondern auch die besseren Assistenten zur Verfügung hatten. Jay- Jay Okocha mußte zwar draußen bleiben, aber vor allem Finidi George, Samson Siasia und Emmanuel Amunike übertrafen Yordan Letschkow und seine etwas hölzernen Mitstreiter an technischer Beschlagenheit und Kombinationsgabe. Wo die Bulgaren Zweikämpfe suchten – und verloren – spielten die Nigerianer einfach den Ball. Coach Dimitar Penew: „Das 0:3 ist ein Schock.“

Dabei fing alles recht vielversprechend an für Bulgarien. In der 10. Minute hatte Kostadinow eine exzellente Schußmöglichkeit im Strafraum, zauderte aber zu lange und der Ball wurde abgefangen; kurz darauf spielte Letschkow („Ich habe doch vorausgesehen, wie es laufen wird“) wiederum Kostadinow am rechten Flügel frei, doch in der Mitte war Stoitschkow schon viel zu weit zum Tor gelaufen, weit und breit ließ sich kein anderer Bulgare blicken, Kostadinows flache Eingabe konnte von den nigerianischen Abwehrspielern leicht abgefangen werden. Libero Chidi N'Wanu hernach: „Fußball ist keine Mathematik, da ist alles möglich.“

Fast im Gegenzug beinahe die gleiche Situation auf der anderen Seite. Steilpaß auf den rechten Flügel zu George, flache Eingabe zur Mitte, wo der genau im richtigen Moment heranbrausende Yekini („Gott hat mich hierhin gebracht“) den Ball ins Netz donnerte, um Sekundenbruchteile später selbst im Netz zu hängen und dieses tiefbeglückt anzuhimmeln.

Nur leicht geschockt, versuchte Bulgarien den Rückstand wettzumachen und griff entschlossen an. Letschkow stupste eine Kopfballvorlage von Stoitschkow aus kurzer Entfernung in die Arme von Torwart Peter Rufai, Stoitschkow setzte einen beachtlichen 25-Meter-Linksschuß knapp über das Tor und hatte dann seine beste Szene, als er einen 20-Meter-Freistoß so exakt in den Winkel plazierte, daß der sich verzweifelt streckende Rufai nicht einmal mit den Fingerspitzen an den Ball kam. Das war sein Glück, denn zur Überraschung des jubilierenden Schützen und des Keepers stellte sich heraus, daß es sich um einen indirekten Freistoß gehandelt hatte – der Treffer galt nicht.

Dafür aber jener von Amokachi in der 43. Minute. Diesmal hatte sich Yekini rechts durchgesetzt und beim Versuch, dessen Flanke zu erhaschen, gingen Amokachi und sein Bewacher simultan zu Boden. Damit hatte die Simultanität ein Ende. Der 21jährige Nigerianer war doppelt so schnell auf den Beinen und rammte den Ball ins Tor. Dann war Halbzeit und von Stoitschkow und Kostadinow fortan nicht mehr viel zu sehen.

Bulgarien dominierte zwar im Mittelfeld, aber wesentlich gefährlicher waren die Konter der Nigerianer, die schon sehr nachlassen müßten, um nicht gemeinsam mit Argentinien ins Achtelfinale einzuziehen.

Die endgültige Entscheidung fiel in der 55. Minute. Yekini und Amokachi waren zufällig gerade gedeckt also köpfte einfach Amunike den Ball ins Tor. Symptomatisch für die bulgarische Indisponiertheit an diesem Tag eine Szene in der Nachspielzeit, als Kostadinow den Ball aus halbrechter Position ins Gewölk jagte. Genau von dieser Stelle hatte er den segensreichen Treffer gegen Frankreich erzielt.

PS: Das Erfolgsrezept von Nigerias Trainer Clemens Westerhof wird auch den Bäckergesellen Jürgen Klinsmann überzeugen: „Wir wollten einfach zeigen, daß wir kein Stück Kuchen sind.“ Matti Lieske

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