: Noa langt's au wieder
■ Wenn d'Hoimet kommt: S'Ländle zu Gast in Hamburg - Reflektionen der abtrünnigen Schwäbin Andrea Hösch
Nordlichter stolpern über spitze Steine. Schwaben nicht. Auch nicht im Norden. Deshalb reichen zwei, drei Worte, ein deplaziertes „s-c-h“ oder ein verniedlichendes „le“ – und schon ist die Schwäbin entlarvt. Als wär's ein ungeschriebenes Gesetz, kommt, was kommen muß: „Schaffa, schaffa. Häusle baua.“ Das immergleiche Ritual, die Schwäbin läßt es gelangweilt über sich ergehen, ist aber hellwach. Meint der es nett oder will der mich verarschen?
Wehe, die Schwäbin merkt, daß man sie abschätzig belächelt und nicht ernst nimmt. Wenn's um die Ehre geht, ist Schluß mit lustig. Em Nomgucka (blitzartig, d. Red.) braut sich ein mit vielen Vorurteilen angereichertes, explosives Gemisch zusammen: Man nehme einen aalglatten Fischkopf, dazu einen hochnäsigen Schnellschwätzer und Besserwisser, würze das Ganze mit einem Schuß Waterkant, und raus kommt: Mir kenned au andersch! No koas bassiera, daß i oim da Roschd ra dua, daß der nemme woiß, wo henna ond vorna isch. (Frei übersetzt: Ich reiß dir gleich den Arsch auf!) - Aber das kommt zum Glück selten vor. So selten wie ein Verstoß gegen die Kehrwoche.
Den Süddeutschen sagt man nach, sie seien harmlos, umgänglich und friedliebend. Sind sie auch, sofern man sie eben läßt. Nichts lieben sie mehr, als dicht an dicht gemütlich zusammenzuhocken und ein Viertele zu schlotzen. Eine kleine Kostprobe davon gibt's ab heute auf dem Rathausmarkt: Im Stuttgarter Weindorf (bis 10. Juli) schenken 20 Wirte über 250 verschiedene Sorten trockenen badischen und schwäbischen Wein aus. Dazu werden original schwäbische Spezialitäten - Maultaschen, Bubaspitzle mit Sauerkraut, saure Kutteln, Rostbraten, Ofaschlupfer, Flädle, Gaisburger Marsch und natürlich selberg'machte Spätzle in jeder nur denkbaren Variation gereicht.
Allen Lästerern zum Trotz: Die Schwaben sind keine Kostverächter. Sie wissen sehr wohl, was gut ist - dafür steht auch der liebevoll polierte Stern (in der Garage). Wer daran immer noch zweifelt, sollte sich besser die urschwäbische Redensart: „Probieren geht über Studieren!“ zur Brust nehmen. Diese Weisheit wird im Ländle gleichsam zur allgemeingültigen Philosophie erhoben. Sie ist überall präsent: auf dem Fußballplatz, am Zeichenbrett, in der Werkstatt, selbst an der Universität, vor allem aber beim Feilschen. Selbstredend gilt sie im besonderen für Tüftler und all jene, die aus dem kleinen Ländle aus- und aufbrechen, um die große weite Welt kennenzulernen.
Letztere treibt allerdings nicht nur pure Neugier oder Abenteuerlust fort. Ein Gutteil flüchtet auch vor der Enge und Engstirnigkeit, die den bodenständigen, konservativen Süden der Republik prägt. Und wo auch immer sie landen, nisten sich die Schwaben ein und passen sich an. Allerdings nicht um den Preis ihrer Markenzeichen: Am „s-c-h“ und „le“ verraten und erkennen sich die abtrünnigen Schwäbinnen und Schwaben.
Beim hanseatischen Hock im Stuttgarter Weindorf ist gut aufs Ländle anstoßen. Denn aus der Ferne lassen sich die heimatlichen Gefühle erst so richtig genießen. - Noa langt's au wieder für a Weile.
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