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Geistiger Bummel im Konzeptlosen

■ Museum für Kunst und Gewerbe: Merkwürdige Ausstellung „Architektur in der Photographie“

Die Freundschaft von Architektur und Fotografie ist seit der Erfindung der zweiteren eine weit innigere gewesen, als zur Kunst. Bestand zwischen dem Gemälde und der Fotografie ein natürliches Konkurrenzverhältnis, daß der Kunst letztlich wohler tat, als der Fotografie (Beschleunigung der Moderne hier, Verkitschung in der sogenannten „Kunstphotografie“ dort), so wäre die Entwicklung der Architektur wie ihre Rezeption ohne den zweidimensionalen Transportweg wohl schlichtweg ausgeblieben.

Die Ausstellung Architektur in der Photographie gibt nun vor, dieses Verhältnis zu dokumentieren, das sich seit der Mitte des letzten Jahrhunderts mit der Daguerreotypien schnell ergab und festigte. Stattdessen präsentiert das Museum allerdings eine uneinsichtig versammelte Anzahl von Panorama-, Detail- und Landschaftsbildern, die weder eine klare thematische Einordnung noch erklärende Hinweise besitzen. Das gibt zwar viele schöne Bilder, insbesondere von Städten des 19. Jahrhunderts – einmal ohne Tauben, Autos und Touristen –, aber die Fragen, wie sehen Fotografen Architektur, was hat sich an dieser Sicht geändert, gibt es ein Verhältnis zwischen Architektur und ihrem Abbild bleiben schlicht unbeantwortet.

Zeitgenössische Architektur taucht überhaupt nicht auf und die Beispiele zu den völlig diffus zusammengestellten Epochen haben keinerlei repräsentativen Charakter. Es wird weder unterschieden zwischen Kunst- und Berufsfotografen noch gibt ein Gebäude im Spiegel verschiedener Fotografen und Zeiten ein Blick darauf frei, wie Architekturfotografie arbeitet.

Den analysierenden Faden bei einer thematischen Ausstellung derartig sträflich liegen zu lassen ist eigentlich unverzeihlich. Was die Ausstellung unter der Bedingung des assoziativen Spiels dennoch sehenswert macht, ist dann gerade das scheinbar Unsinnige der Auswahl. Zwischen Hamanns Hamburgbildern und Bernhard und Hilla Bechers Kühltürmen, zwischen Stieglitz' New York und verschneiten Alpendörfern ist viel Platz für geistige Spaziergänge.

Zeitgleich artikulieren im Forum des Museum drei Fotografen die Bewegung im Abbild des Statischen. Manfred Wigger und Thomas Hampel übertölpeln den visuellen Sinn durch Kamera-Hin-und-Zurück. So werden bekannte Hamburger Ansichten (Chilehaus, Fleete, Ost-West-Straße) zu einem absurden Film. Die Kölner Fotografin Ursula Wevers komponiert mit Reihungen und Überblendungen recht artifizielle Detailansichten südlicher Städte. Parallel zur Ausstellung findet ab heute ein dreitägiges Symposion zu Architektur und Fotografie statt.

Till Briegleb

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