Kniefall vor der Großen Koalition

■ Nur Heckelmann sichtbar gereizt / Sozialdemokraten spielen sich als Gewinner auf / CDUler reden auch vom Erfolg

Nur einem war gestern nach dem Ende der schwersten Krise der Großen Koalition Unzufriedenheit anzumerken: Dieter Heckelmann (CDU) – nach dem Kompromiß zwischen CDU und SPD einziger Innenminister in der Bundesrepublik ohne Landesamt für Verfassungsschutz. „Lassen Sie das“, raunte der entmachtete Senator ein Team des Privatsenders RTL im Foyer des Preußischen Landtags an, als es die Kamera auf den Verlierer richtete. Für den Verfassungsschutz ist jetzt der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) zuständig.

Fragen von Journalisten wich Heckelmann genervt aus. Er ließ sich nur zu der Äußerung hinreißen, daß nach dem gestrigen Kompromiß des Koalitionsausschusses die Dinge geordnet weitergingen: „Eine gute Lösung in einer schwierigen Situation.“

Die Koalitionsfraktionen waren erfolgreicher bei ihrem Bemühen, sich betont gelassen zu geben. Selbst der schärfste Heckelmann- Gegner bei den Sozialdemokraten, Hans-Georg Lorenz, freute sich, als hätte seine Partei gerade Wahlen gewonnen: Im Fraktionsbüro fiel er seinem Chef Ditmar Staffelt um den Hals. „Heckelmann ist weg“, sagte er der taz. „Ich weiß, daß das in der Öffentlichkeit nicht darstellbar ist“, schränkte er seine Behauptung dann ein. Das wichtigste Amt sei dem Senator „aus Strafe“ weggenommen worden, die CDU habe damit indirekt zugegeben, daß Heckelmann im Sicherheitsbereich „ein Versager“ sei.

Die schärfste Kritik hatte gestern der SPD-Abgeordnete aus Pankow, Hans-Peter Seitz, an dem Kompromiß: „Die Regierungskrise ist erst beendet, wenn Heckelmann weg ist.“ 18 SPDler kündigten an, in der Sondersitzung in der kommenden Woche für einen der Mißtrauensanträge von Grünen, PDS und FDP gegen Heckelmann zu stimmen. Die Mehrzahl der Fraktion will sich enthalten. Nur unter der Hand wurde zugegeben, daß Staffelt, der den Kopf von Heckelmann gefordert hatte, weil der Senator Hinweise vom Verfassungsschutz zu Kontakten seines Pressesprechers mit Rechtsextremisten nicht nachgegangen war, den Kampf mit der CDU verloren hat. „Wir werfen aber nicht den ersten Stein“, begründeten die linken Kritiker der SPD ihr Schweigen.

Staffelt feierte den Koalitionskompromiß dennoch ebenfalls als Erfolg. Mit der CDU-Spitze sei die für den Beginn der nächsten Legislaturperiode geplante Senatsverkleinerung auf diesen Herbst vorgezogen worden. Wenn Heckelmann dann nicht wegzuzbekommen sei, munkelten Sozialdemokraten, müsse er spätestens abtreten, wenn der „Mykonos“-Untersuchungsausschuß seinen Abschlußbericht vorlegt. Heckelmann hatte – trotz Hinweisen aus Sicherheitsbehörden – versäumt, das Telefon eines verdächtigen Iraners abhören zu lassen, der später in der Berliner Kneipe „Mykonos“ Mitglieder der Sozialistischen Internationale erschossen hatte.

Die CDU vermied jede Schadenfreude über den Koalitionspartner SPD. Klaus-Rüdiger Landowsky, der die SPD scharf angegriffen hatte, weil sie beim Stürzen Heckelmanns „mit den Kommunisten“ gemeinsame Sache machen würde, bezeichnete Staffelts Verhalten gestern als „verantwortungsbewußt“: „Eine Lösung zum Wohle dieser Stadt.“ Daß dem Innensenator sein Landesamt für Verfassungsschutz abhanden gekommen ist, war aus Landowskys Sicht „überhaupt kein Problem“. Ein sichtbar erleichterter Diepgen warnte lediglich, den ausgehandelten Kompromiß umzuinterpretieren. Eine Senatsverkleinerung sei nicht vereinbart worden. Tatsächlich heißt es denn auch in der Erklärung des Koalitionsausschusses, daß man sich darüber verständigen wolle, welche Verfassungsänderungen noch in der laufenden Wahlperiode realisiert werden können. Dirk Wildt

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