■ Schöner leben: Bilder vom Grill - die Diaabend-Falle
Man könnte die Regenschirme aufspannen und ein bißchen spazierengehen. Man könnte sich ein Pfänderspiel ausdenken und viel zu lachen haben. Von mir aus könnte man auch über Dreiecksverhältnisse diskutieren oder den Schutz der Wale. Aber was macht man? Einen Diaabend.
Der Diaabend beginnt immer so: „Wißt Ihr was, ich habe neulich auf unserer Grillfete ein paar klasse Dias geknipst, wollen wir uns die reintun?“ Auf diese Scheinfrage gibt es keine rettende Antwort. Wer die Falle kennt und zögerlich, ja ablehnend reagiert, ist als asozialer Griesgram entlarvt und wird nicht mehr eingeladen. Wer aber begeistert ausruft: „Super! Hast Du Chips da?“ hat schon verloren.
Das Verdunkeln, das Entrollen der Leinwand, das Anschließen und Justieren des Projektionsgerätes mittels mehrerer Bücher – zugegeben, das hat was Sakrales. Leider hat es auch was Mühsames. Und so kommt es, daß der unglückliche Diafotograf in seinem Dialeben tausende gerahmter Transparentbildchen anhäuft, aber fast nie zeigen kann. Aber heute!
Das Unheil geschieht, wenn die letzten der 72 mißratenen Grilldias durch sind. „Ich habe hier noch die Bilder von unserem Fahrradausflug neulich an die Mosel“, und schon erkennt man Carlo und Biene in der Fußgängerzone von Traben-Trabach. Es folgen: etwa 200 Dias von Hannas ersten drei Lebenstagen; Toscana 1991; Silberhochzeit der Schwiegereltern; „Wie ich meinen Passat in Wolfsburg abholte“.
Sicher, die Freude ist groß – beim Hobbyfotografen, der seine überblitzten Porträts herzeigen darf und immer heftiger von Erinnerungen geschüttelt wird. Seine Gäste hingegen leiden still an – den Kalauer nehmen wir mit – Diarrhöe. Man meide also den Diafotografen und streiche seine Nummer aus dem Notizbuch. Es gibt erfreulichere Wege, seine Lebenszeit totzuschlagen.
Burkhard Straßmann
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