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„Stefan hat sich aufgeheizt“

■ Effenberg bekommt nach zwei Revanchefouls („Stinkefinger“) am Publikum („Effe raus!“) vom DFB die rote Karte und findet: „Ich bin doch wichtig für die Mannschaft...“

Chicago (dpa/taz) – Nach drei leblosen Partien ist mit dem Rauswurf von Stefan Effenberg die Leidenschaft in die deutsche Mannschaft zurückgekehrt. Die Truppe um Bundestrainer Vogts präsentierte sich samt Umfeld endlich aggressiv in den Zweikämpfen, bissig und temperamentvoll. Zumindest in den Interviews und Stellungnahmen zum Fall Effenberg.

Der Florentiner war von Berti Vogts und DFB-Präsident Egidius Braun davongejagt worden, nachdem er bei seiner Auswechslung im Korea-Spiel zweimal (Wiederholungstat!) einen Stinkefinger in Richtung Zuschauer gezeigt hatte. Das Publikum hatte nach der schlappen Vorstellung des Mittelfeldspielers „Effe raus!“ skandiert.

Während Vogts nach mehreren Gesprächen noch Bereitschaft zum Einlenken bekundet haben soll, setzte der aus Dallas (!) herbeigeeilte Braun die harte Welle durch. Effenbergs Verhalten sei „entsetzlich“ gewesen, entrüstete sich Braun, er sei „erschüttert“. Und: „Wenn ein Mensch eine solche obszöne Geste macht, hat so ein Mensch in der Nationalmannschaft nichts zu suchen.“ Sprach's und ließ Effe die Koffer packen.

Effenberg gesperrt bis zum Jahr 2006 ...

Die rote Karte für das 25jährige Enfant terrible hat inzwischen wilde Spekulationen ausgelöst. Offensichtlich ist, daß Vogts und der DFB ein Exempel statuieren wollten, um den Autoritätsverlust der Betreuer nach inzwischen fünfwöchiger Kasernierung zu stoppen. Berti Vogts gab sich betont kämpferisch und schloß eine Rückkehr Effenbergs solange er Bundestrainer sei – „bis zum Jahr 2006“ – aus.

Grantlig und mit unbekannter Offenheit reagierte Vogts auf den Vorhalt, daß es in der deutschen Mannschaft ähnlich drunter und drüber gehe wie weiland 1982 unter Jupp Derwall. Vogts verbat sich solche Vergleiche: „Damals fiel ein paar Mal das Morgentraining aus, weil einige Spieler noch volltrunken waren.“

Leicht aufmüpfig haben einige Mannschaftskollegen auf die Abstrafung Effenbergs reagiert. Nachrücker Thomas Helmer bestätigte, daß mehrere „maßgebliche“ (sic!) Spieler die Entscheidung überzogen fanden. Illgner und Matthäus stünden hinter Effenberg. Auf einer Mannschaftssitzung hätten die Spieler vergeblich versucht, Vogts umzustimmen.

Auch Überbundestrainer Beckenbauer meldete sich sofort zu Wort und zieh den DFB einer „Überreaktion – bei solchen Dingen entschuldigt man sich halt und es geht von vorne los“, kommentierte Beckenbauer, der selbst als Inteamchef 1986 Uli Stein verstoßen hatte. Womit der Kaiser offenbar auf das notorisch arrogante Auftreten Effenbergs anspielt. Der Jungunternehmer stellt am liebsten selbst die Mannschaft auf und bestimmt vor allem, wo seine Person zu spielen habe: als Oberchef im zentralen Mittelfeld. Den ungeliebten Posten in der rechten Abwehr lehnt er seit langem ab, entsprechend lustvoll erfüllte er diesen Job gegen Korea. Bis auf wenige Treteinlagen war wenig von ihm zu sehen.

Auch nach seinem Rauswurf bewies Effe querulantisches Stehvermögen und eine gewisse Originalität. Wenige Stunden nach dem Eklat saß die Hauptperson gut gelaunt im grünen T-Shirt am Swimmingpool, umringt von einer Schar handverlesener Journalisten. Über Details und Hintergründe seines Abgangs wollte er nur gegen Bares reden: die Effenberg-Story gibt's für den Meistbietenden.

Exklusiv: die Wahrheit über Effe und Berti

Abreisen will der Geschaßte auf keinen Fall, seine Frau Martina („danke Berti!“) freut sich schon auf die gemeinsame Freizeit. Die Entscheidung des DFB findet er „lächerlich“, die Zuschauer hätten ihn schließlich „niedergemacht“. Für seine Entgleisung machte Effenberg auch die äußeren Umstände verantwortlich. Während hämische Journalisten in Anspielung auf Schwurhand Fritz Zimmermann (CSU) eine Unterzuckerung vermuteten, sprach Effenberg von „50 Grad Hitze auf dem Platz“. Seine Rolle als Rebell schien er sichtlich zu genießen. Anfängliche Selbstkritik („eine Überreaktion, es tut mir leid“) ist inzwischen der bekannten Selbstgefälligkeit gewichen. „Bereuen würde ich nicht sagen.“ Und: „Mir tut es natürlich leid für die Mannschaft, weil ich weiß, daß ich wichtig für die Mannschaft bin“, war Effe wieder ganz der alte.

Den schwarzen Tag beendete er zünftig mit einer Grillparty, zu der seine Freunde Thomas Häßler und Bodo Illgner mit ihren Familien erschienen waren. Unterstützung habe er aber auch von Matthäus, Völler und Klinsmann erhalten.

Der Fall Effenberg hat inzwischen die bekannte Stellungnahmenorgie ausgelöst. Kompetentester Fachmann ist Ex-Nationaltorwart Uli Stein, suspendiert 1986 in Mexiko, nachdem er Beckenbauer als „Suppenkaspar“ und die Mannschaft zu recht als „Gurkentruppe“ bezeichnet hatte. Stein über Effenberg: „Ich gehe davon aus, daß in den Tagen zuvor andere Dinge vorgefallen sind. Meinen Rauswurf kann man mit Effenberg nicht vergleichen.“ Der Kaiser indessen findet den Fall Stein (unlogisch, s.o.) „nicht ganz unähnlich“. Udo Lattek wiederum glaubt an die 50-Grad-Hitze-Theorie: „Stefan hat sich aufgeheizt, und dann ist es zur Explosion gekommen.“

Auch Egidius Braun ist noch nicht ganz abgekühlt: „Ich schäme mich in tiefster Seele, daß ein herausragender Vertreter des DFB in übelster Weise das verletzt hat, was wir aufgebaut haben.“ Kalle Rummenigge: Ja gut, „für ein solches Verhalten gibt es keine anderen Konsequenzen.“ Martina Effenberg: „Jetzt freuen wir uns auf New York.“ -man-

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