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Der letzte Bonanza-Held

■ Gesichter der Großstadt: Elmar H. Tanner - Steuerberater, Cowboy-Fan, Berlin-Mitte-Unternehmer, komischer Lok-Vogel und fester Freier beim KGB

Elmar H. Tanners Wirken wird erst allmählich klarer. 1990 berichtet der Spiegel über den „ehemaligen Steuerberater, in Berliner Anwaltskreisen wegen einiger fehlender Finger als ,Old Schwurhand‘ bekannt“, dieser habe illegale Transferrubel-Geschäfte getätigt. In einem Spiegel-Buch – „Die Mafia im Staat“ (1993) – heißt es dann: Tanner „errubelte“ mit seinen Firmen Tanner Consulting, Palitra Kunsthandels GmbH, Iweri Handels GmbH, Duradshi Handels GmbH, Sojus Trade Handels GmbH, Tanner Engineering GmbH, Etat Vermögensverwaltungs GmbH und LMW Limousinen Mietservice 63.150.000 DM. Dazu ein Zitat aus einem „amtlichen Papier“: „Die Firmengruppe Tanner hat, soweit überhaupt exportiert wurde, keine DDR-Produkte exportiert, sondern Waren, die teilweise aus Norwegen stammten. Insoweit war keine rechtliche Grundlage für die Umstellung von XTR (Transferrubel) in DM-Gegenwerte gegeben.“

Das Verfahren gegen Tanner, der 1990 gegen 3 Millionen DM Kaution freikam, ist noch anhängig. Tanners Firmen residierten im noblen Neubau Friedrichstraße 106, der mit der Wende bezugsfertig geworden war. Tanner hatte von der KWV das Recht erworben, die dortigen Gewerbeflächen zu vermakeln. Im bis heute leerstehenden ersten Stock sollte eine eigens von ihm gegründete Bank einziehen. Zwei seiner Angestellten, einem Hausmeister und einem kaufmännischen Executive, blieb er aber schon kurze Zeit später das Gehalt schuldig.

Diese sowie einige Mieter des Hauses stellten daraufhin Nachforschungen über Tanner an. U.a. meinten sie herausgefunden zu haben, daß er bereits im Skandal um den Steglitzer Kreisel „mit dringehangen“ habe und dabei „20 Millionen oder so“ ins Trockene gebracht hätte. Er sei im übrigen eine „ganz gefährliche Person“ und mehrere Zeitungen seien bereits vor ihm „zurückgeschreckt“. Bestätigt fühlten sie sich durch einen Faction-Krimi aus der DDR: „Der lieblose Tod des Bordellkönigs“ (1978) von Günter Prodöhl. Der Autor, gestorben 1992 in Potsdam, war wahrscheinlich vom MfS mit Unterlagen versorgt worden: „Mach was Spannendes draus, Günter!“ Prodöhl schrieb: „1974 begann der Prozeß gegen die Verantwortlichen der Westberliner Aktiengesellschaft für Industrie- und Bauförderung (AGI).“ Den Angeklagten, Rudolf und Fielitz, wurde vorgeworfen, „mit raffiniert vorgetäuschten Luftgeschäften ihre Kommanditisten um Millionen geprellt zu haben“. Dazu erklärte der mitangeklagte Steuerbevollmächtigte der AGI, Elmar Tanner: „Berlinbesuche westdeutscher Geschäftsfreunde endeten regelmäßig im Westernhotel ,Nobel‘ und im Spielcasino ,Cherie‘ des Bordellkönigs Hans-Heinrich Helmcke.“

Der Betrugsprozeß gehörte noch zum „Steglitzer Kreisel“- Skandal, aber war der Angeklagte Tanner von damals auch derselbe, den die Berliner Kripo dann als im thüringischen Schmalkalden geboren, seit 1974 „vom KGB geführt in West-Berlin“ und „heute mit Zugang auf das verschwundene Auslandsvermögen des aufgelösten Geheimdienstes“ identifizierte? Nach den Umrubeleien soll er sich weiteren „Geldgeschäften“ gewidmet haben. Dazu diente ihm seine Firmengruppe, die ELTA Holding, zu der Unternehmen „für Architekturmodelle und Immobilien sowie ein Medien-Projekt und eine Restaurant-Betriebsgesellschaft“ gehören, ebenso aber auch sein „Adlatus Uwe Müller und der Exilrusse Arkadij Tozkij“. Auch ein ehemaliger KoKo-Partner, der Rechtsanwalt Manfred Wünsche, sei bisweilen mit von der Partie. Am 28.4.93 bekam Elmar Tanner ein Angebot vom Rechtsanwalt Wolfgang Schnur: Für eine amerikanische Gesellschaft möge Tanner eine Milliarde US-Dollar in D- Mark umtauschen, dafür könne er 3Prozent Courtage berechnen. Danach stünden weitere drei Milliarden US-Dollar zum Umtausch bereit. Die Berliner Zeitung druckte Schnurs Fax an Tanner am 11.6.94 als Faksimile ab.

Zuvor, am 21.10.93, hatte der Berliner Kurier bereits über Investitionspläne Tanners, die sich aus solchen oder ähnlichen Courtagen speisten, berichtet: Der „Berlin- Mitte-Unternehmer“ Elmar H. Tanner beabsichtige an der Eisenbahnstrecke zwischen Neuruppin und Wittstock, bei Netzeband, ein „Texas-Dorf“ zu bauen – auf einer Million Quadratmeter, mit 800 Millionen DM – und einem eigenen Gleisanschluß für eine „Westernbahn“. Dazu gab es bereits ein Foto mit der Unterschrift: „Bauamtsleiter Pieper stellt schon mal am Bahnhof Netzeband die Weiche für den Texas-Expreß.“ Später räumte Hartmut Pieper jedoch ein, das Projekt werde nun woanders realisiert. Die Gemeinde Netzeband hatte sich dagegen ausgesprochen. Laut Auskunft des Neuruppiner Planungsamtsleiters Hans-Ulrich Schommler sollte dies nun kurz vor Kyritz geschehen, wo Elmar Tanner sich bereits eine Mühle, bei Rägelin, gekauft habe, sowie, in Darsikow, ein weiteres Gebäude, das „eine Steak-Bude nach Western-Art“ werden soll. Zwar sei man in seinem Amt „darauf eingestellt, Dinge, die für die Region förderlich sind, erst einmal positiv aufzugreifen“, aber bisher sei das Ganze über einige „vage Vorbereitungsgespräche“ noch nicht hinausgekommen, außerdem hätte man mittlerweile natürlich auch „gewisse Hinweise“ – über den Investor Elmar Tanner – bekommen.

Ich bekam den vorläufig letzten Hinweis vorgestern von einem Theologen, der für den bulgarischen Geheimdienst arbeitete und jetzt ein Büro in der Ziegelstraße mit Blick auf das Opel-Haus 106 hat. Er meinte zu mir: „Bleib bloß an Elmar Tanner dran, der Mann ist noch für manche weitere Überraschung gut, glaub mir.“ Ich glaubte ihm sofort. Helmut Höge

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