Sanssouci: Nachschlag
■ Wider die Kofferhüfte: "Kunscht der Liebe" im Kato
Onkel Werner hat eine Theorie. Wer glücklich ist, glaubt er, auf dem wachse eine Art Flaum der Zärtlichkeit, glänzend und verletzlich wie Furnier auf Möbeln. Tante Rosel hat auch eine Theorie. Kein Mensch auf der ganzen Welt habe Orgasmusprobleme, glaubt sie. Aber alle hätten hin und wieder Schwierigkeiten damit, sich hinzugeben. Und wer Sex als Konsumartikel betrachte, werde natürlich auch nicht viel dabei erleben. Werner und Rosel äußern ihre simplen Weisheiten nur im Familienkreis. Ihre Nichte Lola aber bringt sie unters Volk.
Mit ihrem Solostück „Kunscht der Liebe“ will Lilly Walden zum Lachen bringen und Pfade zum besseren Leben weisen. Die meisten davon führen freilich zum Gemeinplatz. So erfahren wir, daß man zum Sexualpartner ganz viel Vertrauen haben muß. Andere Szenen erwecken den Verdacht, daß auch Turnvater Jahn zu der weisen schwäbischen Großfamilie gehört. Denn Lola macht nicht nur kräftig Gymnastik, um die Oberarme zu straffen, sondern steppt noch obendrein: „Steppen macht fröhlich, und Steppen formt das Bein.“ Und all das nur, um schön genug für ihr Modellkleid zu sein. Nach der Pause ist Lola in den schmiegsamen Fummel geschlüpft und paradiert glücklich auf der Bühne hin und her. „Man muß was tun, um so schön zu werden, wie man ist!“ Das alles klingt wie eine Satire auf Schönheitswahn und Diätdiktat, will aber durchaus keine sein. Lolas Kampf gegen die Kofferhüfte ist gelebte Fit-for-Life-Philosophie. Je fitter, desto glücklicher. Und merke: Nur wer sich selbst schön findet, kann lieben und geliebt werden. In erster Linie erzählt diese „Sexualkomödie“, was wir schon immer über Sex wußten. Immerhin entdeckt Lilly Walden so etwas wie die Unschärferelation der Sexualwissenschaft: Intime Situationen kann man nicht untersuchen, weil die Intimität dann zum Teufel geht. Und ansonsten sind die Plattitüden wenigstens amüsant verpackt. In Sekundenschnelle mutiert Lilly Walden von einer burschikosen Motorradfahrerin zu einer coolen Sadomasochistin, von der schwäbischen Tante zu Vetter und Kusine. Und wenn sie dann noch ihren Begriff der „Schokoriegel- Sexualität“ dadurch illustriert, daß sie Marsriegel verteilt, antwortet ihr aus dem Publikum ein rundum zufriedenes Schmatzen. Miriam Hoffmeyer
Bis 17.7., Mi.–So., 21 Uhr im Kulturbahnhof Kato, Schlesisches Tor, Kreuzberg.
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