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Ein weiteres "Ultimatum" ohne Folgen

■ Die Kriegsparteien in Bosnien-Herzegowina sollen innerhalb von zwei Wochen über das "letzte Angebot der internationalen Gemeinschaft" entscheiden, das die "Bosnien-Kontaktgruppe" heute morgen in ...

Die Kriegsparteien in Bosnien-Herzegowina sollen innerhalb von zwei Wochen über das „letzte Angebot der internationalen Gemeinschaft“ entscheiden, das die „Bosnien-Kontaktgruppe“ heute morgen in Genf vorlegen wird. Der Teilungsplan hat allerdings kaum mehr Überlebenschancen als seine zahlreichen Vorgänger.

Ein weiteres „Ultimatum“ ohne Folgen

„Die aktuelle Situation erinnert stark an die Ereignisse, die sich vor Beginn des Ersten Weltkrieges zugetragen haben“, erklärte Rußlands Außenminister Andrej Kosyrew am Vorabend des Genfer Treffens mit seinen Amtskollegen aus USA und EU und warnte vor der Drohung mit Luftangriffen gegen serbische Stellungen. „Wenn sich Rußland und unser Partner USA in dieser Frage entzweien“, so Kosyrew, „entsteht die Gefahr einer internationalen Konfrontation bis hin zu einem Weltkrieg.“

Die Warnung zeigte Wirkung. Das von Diplomaten zum wiederholten Male so bezeichnete „letzte Angebot der internationalen Gemeinschaft“, das die „Kontaktgruppe“ heute morgen den bosnischen Kriegsparteien präsentieren will, hat kaum mehr Überlebenschancen als seine zahlreichen Vorgänger in den letzten zwei Jahren. Erneut sanktioniert das „Angebot“ serbische Eroberungen in einem für die bosnische Regierung kaum akzeptablen Maße. Vor allem aber fehlen glaubhafte Garantien, Anreize und Strafandrohungen, um die beiden Konfliktparteien, besonders die bosnischen Serben und die Regierung in Belgrad, zur Annahme zu bewegen. Weshalb die in diesen Tagen häufig verwendete Bezeichung des Plans als „Ultimatum“ völlig verfehlt ist. Vielleicht schon heute, spätestens jedoch bei Ablauf der von der Kontaktgruppe gesetzten Erklärungsfrist am 19. Juli dürfte der selbsternannte Serbenführer Radovan Karadžić „Nein“ sagen. Bosniens Präsident Izetbegović deutete bei einem internen Treffen mit Botschaftern der islamischen Staaten gestern in Genf die Zustimmung seiner Regierung an.

Der Plan sieht die territoriale Aufteilung Bosniens im Verhältnis von 51 Prozent für die im Mai gegründete bosniakisch-kroatische Föderation und 49 Prozent für die Serben vor. Zwar soll das Gebiet um die derzeit noch von serbischen Truppen eingeschlossenen muslimischen Enklaven in Ostbosnien, Srebrenica, Žepa und Goražde, künftig bis zum Drina-Grenzfluß mit Serbien zur Föderation gehören. Dafür muß die Föderation aber Teile der Region Bihać an die Serben abtreten. Der derzeit über 20 km breite, von serbischen Truppen besetzte Ost-West-Korridor im nordbosnischen Save-Becken soll auf einer Breite von rund drei km erhalten und auf zunächst unbefristete Zeit von russischen Unprofor-Truppen überwacht werden. Dieser Korridor ist bedeutsam, weil er die einzige Landverbindung zwischen Serbien und den serbischen Eroberungen in der kroatischen Krajina darstellt.

Die während des Krieges immer wieder heftig umkämpfte Stadt Brčko am Ostende des Korridors unmittelbar südlich der Grenze zu Kroatien soll zwischen Serben und Muslimen/Kroaten geteilt werden. Letztere dürfen kein Militär in dem ihnen zugewiesenen Süden der Stadt unterhalten.

Außer einer generellen Festlegung auf die territoriale Integrität Bosnien-Herzegowinas, innerhalb dessen international anerkannter Grenzen die bosniakisch-kroatische Föderation und das künftige serbische Gebiet eine „Union“ bilden sollen, enthält der Plan keine detaillierten Verfassungsbestimmungen, Minderheitenschutzregeln o.ä. Die bosnische Regierung hatte auf entsprechende Regeln und Garantien gedrängt, z.B. zur Gewährleistung der Rückkehr Vertriebener in ihre Heimatorte. Auch die von der Regierung in Sarajevo erhofften konkreten Zusagen für die Entsendung von 50.000 Unprofor-Soldaten und andere Garantien zur Durchsetzung eines einmal vereinbarten Friedensplanes fehlen. Premierminister Haris Silajdžić hatte letzte Woche eine Zustimmung seiner Regierung zu dem Plan von derartigen Garantien und dabei vor allem auf die konkrete Zusage der Clinton-Regierung zur Bereitstellung von mindestens 20.000 der 50.000 Unprofor-Soldaten gesetzt.

Die Kontaktgruppe akzeptiert innerhalb der gesetzten Zweiwochenfrist noch Änderungen der Karte sowie Zusätze zum neuen Plan, soweit sich die beiden Konfliktparteien darauf einigen. Wegen des internen Streits wollte sich die Kontaktgruppe gestern zumindest nicht öffentlich festlegen auf Maßnahmen, mit denen die Zustimmung der beiden Konfliktparteien erreicht bzw. auf eine endgültige Ablehnung nach dem 19. Juli reagiert werden soll. Für die gestrige Pressekonferenz der Außenminister am späten Nachmittag wurde verabredet, dieses Thema nicht anzusprechen und auf diesbezügliche Fragen von Journalisten möglichst nicht einzugehen. Es existiert lediglich eine interne Liste von möglichen Maßnahmen, die den Konfliktparteien heute morgen mündlich mitgeteilt werden soll. Eine Aufhebung des Waffenembargos gegen die bosnische Regierung, falls diese „Ja“, die Serben aber „Nein“ zum Plan sagen, wird von Moskau wie von Paris und London weiterhin abgelehnt. Andreas Zumach, Genf

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