Brüsseler Hammer über Stahl- und Aluwerken

■ EG-Kommission ermittelt wegen illegaler Industrie-Subventionen gegen Hamburg

Hat der Senat jahrelang die Hamburger Stahlwerke (HSW) illegal subventioniert? Gilt selbiges auch für die Hamburger Aluminiumwerke? Fliegen diese Unregelmäßigkeiten jetzt auf? Kosten sie die Hansestadt wahlweise etliche Millionen Mark oder rund 1500 Arbeitsplätze? Spätestens seit gestern deutet einiges daraufhin, daß alle diese Fragen in absehbarer Zeit mit Ja beantwortet werden können.

Die Europäische Kommission in Brüssel, so meldete die Deutsche Presseagentur, hege den Verdacht, daß die Hamburger Stahlwerke jahrelang illegale staatliche Beihilfen erhalten haben, die gegen den europäischen Stahlkodex verstoßen. Ein Prüfungsverfahren sei eingeleitet worden.

Erhärtet sich dieser Verdacht, müßten die ohnehin maroden Stahlwerke die in den vergangenen Jahren von der Hamburgischen Landesbank gewährten Kredite (rund 180 Millionen Mark) zurückzahlen. Eine Hypothek, die sich nicht gerade förderlich auf die Verhandlungsposition von Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus auswirken dürfte, der sich derzeit darum bemüht, die 760-Mitarbeiter-Schmiede an die Badischen Stahlwerke zu verscherbeln. Für Hamburg schon ohne die gestrige Nachricht aus Brüssel ein Zuschußgeschäft von mindestens 60 Millionen.

Die Ermittlungen wegen der Kreditvergabe dürften nicht die einzigen bleiben, die Brüssel gegen die Hamburger Industriesubventionspolitik anstrengt. In der EG-Zentrale wird derzeit nach taz-Informationen auch erwogen, wegen verdeckter Strompreis-Subventionen gegen die Hansestadt zu ermitteln. Betroffen in diesem Fall: Ebenfalls die HSW, aber auch die Hamburger Aluminiumwerke (HAW). Beiden Unternehmen wird von den städtischen Electricitätswerken ein überaus günstiger Stromtarif berechnet. Wird die EG-Kommission auch in diesen Fällen verdeckter Subventionen aktiv, dürften auch die Tage der zum Reynolds-Konzern gehörenden HAW gezählt sein.

Daß sowohl die Kredite für die Stahlwerke als auch die günstigen Stromtarife EG-rechtlich nicht ganz koscher sind, ist in der Hamburger Wirtschaftsbehörde schon länger bekannt. Düstere Prophezeihungen („Damit werden wir nochmal kräftig auf die Nase fallen“), sind nicht nur aus der mittleren Ebene der Behördenhierarchie überliefert. Ebenso: dringende Appelle an Hamburger Journalisten, doch bitte nicht über die Erhöhung der Kreditlinie für die Stahlwerke zu berichten.

Ermäßigte Strompreise wie Stahlwerks-Kredite hätte die Hansestadt nach den Artikeln 91 und 92 des EG-Vertrags bei der EG-Kommission „notifizieren“ müssen, wie es im Eurokraten-Deutsch heißt. Dies soll in beiden Fällen nicht geschehen sein, da der Senat für diesen Fall ein „Njet“ der EG-Kommission zu diesen Subventionen erwartet hätte. Ohne die aber wären die HSW wohl längst Pleite, das Reynold-Werk dicht, die zusammen 1500 Arbeitsplätze futsch und Millionen legaler Subventionen für die Ansiedlung der beiden Unternehmen in den Wind geschossen.

Die Wirtschaftsbehörde reagierte gestern auf die Nachrichten aus Brüssel zurückhaltend: Die Fragen der EG-Kommission, so Rittershaus-Sprecher Wolfgang Becker, lägen der Behörde noch nicht vor. Für eine Folgenabschätzung sei es daher zu früh. Uli Exner