Dat ischa gediegen

■ Design in Bremen (2): Rolf Pientka, Bremens oberster Plakatgestalter, über die Schwierigkeiten, der Stadt ein haltbares Image aufzudrücken

Ja, wie ist Bremen denn nun? Dufte oder doll? Klar oder eisgekühlt? Oder einfach: super? Je nun. Auf der Suche nach einem „brementypischen Gestaltungsbild“ hat sich Rolf Pientka erstmal für den Kompromiß entschieden: „Traditionelle hanseatische Inhalte, gekoppelt mit Modernität“ – so sieht das Image aus, mit dem Pientkas Plakate und Broschüren für die Hansestadt werben. Sein Gestaltungskonzept gilt nicht nur unter Fachleuten als vorbildlich – allerdings: Beim Spagat zwischen Tradition und Moderne, zwischen den Wünschen des Senats und dem Machbaren zerreißt es manche gute Idee in Pientkas Einmannbüro.

Dieses hat seinen Sitz an zentraler, ja: symbolischer Stelle in der Stadt. Im ersten Stock des Rathauses hält die Senatspressestelle anderthalb Zimmer frei für den Mutigen, der das Amt des obersten Imagegestalters bekleidet; Roland, Dom und Stadtmusikanten liegen praktisch vorm Fenster – meistens kehrt Pientka ihnen den Rücken zu, wenn er arbeitet. Neue Bilder zu finden für das alte Bremen: Das ist einer der Ansprüche, mit denen der Grafikdesigner vor sieben Jahren angetreten ist. Das aber wird zunehmend schwieriger.

Und zwar, paradoxerweise, gerade deshalb, weil der Senat und auch Teile der Wirtschaft langsam begreifen, was eine gut gestaltete Werbung wert sein kann. Die Ansprüche steigen, aber nicht der Einsatz. Eine Plakatserie, mit der die nicht eben überlaufenen Bremer Kulturhäuser besser ins Bild gerückt werden sollten, liegt seit langem auf Eis – „sowas könnte ich allein gar nicht kontinuierlich betreuen“, sagt Pientka. Und die größte Imagekampagne seit Jahrzehnten hat man lieber gleich nach außerhalb vergeben: Die Anzeigenserie „Riskieren Sie mal einen Blick“, mit der die Qualitäten der Stadt derzeit bundesweit angepriesen werden, stammt vom Frankfurter Werbegiganten „Young & Rubicam“. Der setzte prompt auf die ausgeleierten Symbole: Roland, Windmühle, Rathaus, alle winzigklein durchs Schlüsselloch fotografiert. „Beim ersten Marktauftritt kann man ja nicht so klotzig auftreten“, entschuldigt Pientka und knirscht doch hörbar mit den Zähnen. Selbst durfte der Bremer nur typografische Tips in den Entwurf einbringen; seine eigene Linie, mit der er über die Jahre die Bremen-Werbung in Form brachte, sieht doch etwas klarer, frischer und weniger altbacken aus.

Denn erstmal mußte Pientka entrümpeln. Bei seinem Amtsantritt regierte noch die Typografie der 70er Jahre die Bremer Stadtreklame – schwarz, breit und fett, dazu windschief schräggestellt. Nicht eben der jüngste Trend. Von modischem Styling aber hält Pientka auch wieder nichts: Ein „Erscheinungsbild von längerer Gültigkeit“ sollte es schon sein. Also: „Relativ sparsam, sehr reduziert in der Anwendung von Schrift“, klar gegliedert und mit eindeutigen Symbolbildern kombiniert - so sieht die durchgängige grafische Linie nun aus, ganz im Sinne der Auftraggeber. „Ein modernes, aktives, auf die Zukunft gerichtetes Leben im Ambiente und Geist der Tradition“ – so formuliert Pientka die offizielle, vom Senat abgesegnete Message seines Konzepts. Buchstabenklein hat er es durchgestylt: Die Schrifttype Garamond, die Pientka als Statthalterin des Bremen-Images auserwählt hat, sieht recht schlank aus (=modern) und zugleich, dank ihrer schmucken Serifen, irgendwie gediegen (=traditionell).

So verkündet die Bremer Schrift zwölfhundertfach – soviel Reklametafeln stehen dem Senat zur Verfügung – ihre Nachrichten; weist auf den Vegesacker Markt, das Musikfest oder auch die heimischen Grünanlagen hin. Sein Plakat für die Bremer Parks ist für Pientka immer noch exemplarisch. Für uralte Sachen lassen sich eben doch noch neue Bilder finden: Jeder Park ist darauf mit einem einzigen, dafür ziemlich schönen und typischen Blatt symbolisiert.

Der Bedarf für solche Blickfänge steigt, vermutet Pientka. „Wir haben einen großen touristischen Bedarf an Imagepostern“, sagt er – auch außerhalb Bremens. Im nächsten Jahr solle eine wahre Posterserie die Litfaßsäulen im Lande zieren, in Fortsetzung der aktuellen Anzeigenreihe – vielleicht auch ohne das etwas verschämte Schlüsselloch-Motiv der Frankfurter. Dafür müßte der Senat freilich auch was investieren. „Sowas kann man nicht als Einmannbetrieb leisten; der Apparat der Bremen-Werbung müßte aufgewertet und neu organisiert werden.“ Danach aber sieht es momentan nicht aus. Und Pientka fürchtet, auf Dauer kreativ „auszubluten“. Denn auf dem bisherigen Werge, einsam, sparsam und bescheiden, „kommen wir jedenfalls langfristig zu keiner Image-Sicherung.“

Thomas Wolff