Rikscha konkurriert mit Taxi

■ Erster Fahrrad-Taxi-Service in Berlin gegründet / Rollstuhl-Transportrad entwickelt / Rikschas dürfen fahren, aber nicht stehen, so die Polizei

Sommer in Berlin: Die einen sitzen in ihren überhitzten Autos im Stau, die anderen quetschen sich in überfüllte, schlecht belüftete U-Bahn-Züge. Doch einige haben erste Schritte zur alternativen Personenbeförderung unternommen.

Einer von ihnen ist Jens Grabner, der seine Kunden mit einer Rikscha durch Berlin kutschiert (siehe auch die Reportage auf dieser Seite). Seit April bietet er mit seinem Ein-Mann-Betrieb „Rikscha Mobil“ Taxi-Dienste für alle Bedürfnisse innerhalb Berlins an. „Oftmals sind die Passanten zwar sehr interessiert“, so Grabner, „doch die meisten wollen sich nicht in der Rikscha wie auf einem Präsentierteller plazieren.“

Der Fahrrad-Chauffeur hat aber schon ganz andere Probleme bewältigt: die Beschaffung eines geeigneten Gefährts. Rikschas sind in Deutschland ohnehin schon eine Rarität. „Da ich ein indonesisches Modell haben wollte, in der die Fahrgäste vorne sitzen und eine bessere Aussicht haben, zog sich meine Suche über zwei Monate hin“, erinnert sich der Rikscha- Unternehmer. Das entsprechende Fahrzeug fand sich schließlich in Köln. 1989 in Jakarta hergestellt, in Einzelteilen nach München verschickt, hatte es am Rhein seine ersten Einsätze – bei einem nebenberuflichen Rikscha-Fahrer. Die gebrauchte Rikscha kostete knapp 3.000 Mark.

Grabner hatte sich auch erkundigt, was ein Neubau kostet: „Die Kostenvoranschläge lagen zwischen 7.000 und 20.000 Mark.“ Eine Firma, die sich auf den Vertrieb von Transportfahrrädern spezialisiert hat, ist „christiania bikes“ in Kreuzberg. Bünyami Akyildiz, Teilhaber der einzigen deutschen Zweigniederlassung der dänischen Fahrradmanufaktur, stellt die Modellpalette vor: „Für den Transport von Kindern haben wir verschiedene Modelle entwickelt.“ Auf der Vorderachse befindet sich eine Holzkiste mit Sitzbänken und Sicherheitsgurten. Die verschiedenen Modelle sind auf den Transport von zwei bis vier Kindern ausgelegt. Kostenpunkt: mindestens 2.400 Mark.

Keine Subventionen für das Rollstuhl-Fahrrad

Spezialfahrzeuge hat „christiania bikes“ auch im Repertoire: ein Rad, mit dem man Rollstuhlfahrer transportieren kann. Die Dreiradkonstruktion wurde mit einer Holzrampe versehen. Diese hebt den Rollstuhl samt dem Insassen mittels einer Kippachsen-Konstruktion automatisch in die fahrbereite Position. Gesichert wird das Ganze mit den Rollstuhlbremsen und Haltegurten. „Der Rollstuhl sollte aber zusätzlich mit einem Sicherheitsgurt nachgerüstet werden“, rät Akyildiz. Da die Konstruktion in Handarbeit erstellt wird, beträgt der Preis 4.400 Mark. „Weil die Krankenkassen dieses kostengünstige Transportmittel nicht subventionieren, kann sich kaum jemand dieses Rad leisten“, klagt der Fahrradfachmann.

Auch Sabine Goldmann ärgert sich über die Ignoranz, die dem Fahrrad als alternatives Personen- Beförderungsmittel von offizieller Seite entgegengebracht wird: „Vor allem der Senat und die Rathäuser in den Bezirken verhindern durch ihre Untätigkeit die Entwicklung von Reformansätzen.“ Die Sportlehrerin besitzt eine indische Rikscha mit Sitzbank auf der Hinterachse. Damit besucht sie von Zeit zu Zeit Straßen- oder Schulfeste. „Rikschas sind Taxis gegenüber konkurrenzfähig“, beteuert Goldmann. „Aber dann braucht man zum Beispiel auch kostenlose Stellplätze.“

Davon kann auch Grabner ein Lied singen: Bei der Polizei, dem Gewerbe- und dem Straßenverkehrsamt wurde ihm gesagt, daß er nur einen Gewerbeschein für sein Rikscha-Unternehmen brauche. Er wurde von einer Zivilstreife eines „Besseren“ belehrt: „Die Polizisten behaupteten, ich brauche eine Sondernutzungserlaubnis, um mit der Rikscha auf öffentlichen Plätzen stehen zu dürfen – solange ich mich jedoch mit dem Rad bewege, sei diese Genehmigung nicht nötig“, berichtet der „Rikscha Mobil“-Inhaber. Ob die Rikscha nicht nur fahren, sondern auch stehen darf, konnte bisher nicht geklärt werden. Grabners einziger Trost: Nach langer Suche hat er eine Unterbringungsmöglichkeit gefunden. Zur Zeit steht seine Rikscha auf dem Hof der „Fahrradstation“. Diese wird von drei Leuten betrieben, die ebenfalls aufs Rad bauen.

Rikschafahren ist mehr als nur ein Touristengag

„Wir handeln nicht nur mit den Rädern, sondern verleihen sie auch“, erläutert Olaf Geiger, einer der drei Betreiber der „Fahrradstation“. In diesem Service sieht er das Besondere im Gegensatz zu anderen Fahrraddiensten. Der „Long-John“, ein Rad mit tiefliegender Ladefläche, auf die ein Sitz montiert ist, kostet zum Beispiel 45 Mark für 24 Stunden.

Die Fahrradspezialisten sind sich einig: Personenbeförderung mit dem Velo ist nicht bloß ein exotischer Touristen-Schnickschnack. „Je mehr Räder wir auf die Straße bringen, desto weniger können sie ignoriert werden“, hofft Akyildiz. Auch Grabner baut auf diese Entwicklung: „Dann haben die Leute weniger Scheu, sich in meine Rikscha zu setzen.“

Andererseits sind die Transportrad-Aktivisten für jeden spektakulären Auftritt dankbar: So auch Grabner, der den Organisator der Love Parade, DJ Dr. Motte, an der Spitze des Umzuges chauffierte. Lars Klaaßen