: Dein Freund und Mißhandler
■ Im brandenburgischen Bernau werden die Polizisten knapp - sieben Beamte wegen Übergriffen gegen Vietnamesen beurlaubt / SPD-Innenminister Ziel "bedauert" die Neonazi-Panne von Rüdersdorf
Potsdam/Frankfurt/Oder (dpa/AP) – Im brandenburgischen Bernau leert sich die Polizeiwache der Stadt mehr und mehr: Wegen des Verdachts der Mißhandlung von Vietnamesen fehlen bereits sieben Mitarbeiter. An diesem Wochenende werden deswegen erstmals Polizisten von außerhalb dort Dienst schieben müssen – und zwar bis die Vorwürfe gegen ihre KollegInnen geklärt sind. Das sagte gestern Eberhard Herrmann, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Eberswalde.
Aus der Wache – dort sollen vietnamesische Zigarettenverkäufer zwischen Juni 1993 und Juni 1994 brutal geschlagen und getreten worden sein – wurden inzwischen vier Beamte und drei Angestellte vorläufig vom Dienst entfernt. Gegen sie ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung im Amt sowie Körperverletzung im Amt durch Unterlassen.
Zum zweiten Polizeiskandal in Brandenburg – 900 Rechtsextreme konnten sich vor einer Woche ohne Eingreifen der Ordnungshüter in Rüdersdorf versammeln – äußerte sich gestern Innenminister Alwin Ziel (SPD). In seinem Ministerium herrsche noch immer Unklarheit darüber, weshalb die ausdrückliche Weisung, das Treffen zu verhindern, von der Polizei „handwerklich“ nicht umgesetzt worden sei. Der SPD-Politiker lehnte zugleich Forderungen der CDU-Opposition nach seinem Rücktritt nochmals ab.
Auch nach einem zweiten Report der Polizei gebe es noch keine Stellungnahme des mittlerweile beurlaubten Einsatzleiters zu der Frage, warum er die Versammlung der Neonazis trotz Weisung des Innenministeriums nicht habe auflösen lassen. Der Beamte mache möglicherweise vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Ziel stellte die Panne von Rüdersdorf abermals als bedauerlichen Einzelfall dar und schloß einen politischen Hintergrund für das Nichteinschreiten der Polizei aus.
Welche disziplinarischen Maßnahmen die beschuldigten Polizisten von Bernau erwarten, hängt laut Polizeipräsidium Eberswalde von Art, Umfang und Schwere des Vergehens jedes einzelnen ab. Nach Abschluß der Ermittlungen müsse geprüft werden, wie sie disziplinarisch und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Staatsanwältin Kerstin Langen teilte mit, ein Ende der Ermittlungen sei derzeit noch nicht abzusehen. In den nächsten Tagen gehen Befragungen von Opfern und Tatverdächtigen weiter, sagte sie. Auch müßten noch Einsatzberichte geprüft werden. Die Beschuldigten im Alter von 28 bis 37 Jahren bestreiten die Vorwürfe. Der 29jährige Angestellte des Ordnungsamtes Biesenthal bei Bernau, dem am Donnerstag eine zweite sexuelle Nötigung zur Last gelegt worden war, hat sich dazu nicht geäußert. Die erste Tat hatte er zugegeben.
Laut Gedächtnisprotokollen der Opfer soll es in 15 Fällen zu Übergriffen der Polizei auf die Ausländer gekommen sein. 15 Anzeigen liegen vor.
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