Wo Toilettenwagen Verwirrung stiften

■ Der HSV gewinnt gegen den Regionalligisten SV Lurup in einem Freundschaftsspiel mit 4:0

Nach Abpfiff wollten einige Fans echte Stadion-Atmosphäre aufkommen lassen. Zwei westkurvenkuttige HSV-Anhänger (nach eigenen Angaben „Kameraden“) kündigten ihre Freundschaft kurzerhand auf und gingen getrennte Wege: Nach einer Keilerei fuhr der eine mit dem Rettungs-, der andere mit dem Streifenwagen ab. Derartige Verbrüderungs-Szenen können die Bewohner Lurups alle paar Jahre auf ihrem Sportplatz miterleben, wenn der HSV antritt.

Über 4.000 Zuschauer wollten das ungleiche Duell sehen, was die Infrastruktur an der Flurstraße überforderte: Staus auf den umliegenden Straßen, noch längere vor Bier- und Wurstbuden und verwirrte Ordner. Die beamteten Sicherheitskräfte, die im Volksparkstadion ihr Lager gewöhnlich im Polizeicontainer aufschlagen, ließen sich von der Hektik anstecken: Sie versammelten sich – der Ähnlichkeit wegen? – vor dem Toilettenwagen. Dessen ungeachtet wurde zumindest das Jungvolk („Wo ist Glatzkow?“) in punkto Autogrammjagd zufriedengestellt. Heimkehrer Uli Stein, der sich zur Halbzeit und nach Abpfiff heranstürmenden Fan-Massen gegenübersah, genoß die Zuneigung der Kids sichtlich und aalte sich autogrammschreibend in der Menge. Ähnliches Interesse erregten nur noch Sergio Zarate und Valdas Ivanauskas. Die übrigen Spieler schienen froh zu sein, daß die Publikumsgunst so eindeutig verteilt war. Einige hätten ihre Signets mangels Interesse auch in Schönschrift auf T-Shirts oder Mützen anbringen können.

Der Auftritt von Cool-Man Stein, dem Don Johnson der Fußballbranche, hätte gut zu dem gepaßt, was sich auch noch für den Abend angekündigt hatte. Die Luruper Nachrichten hatten vorweg gemeldet, daß ein Filmteam einige Spielszenen ablichten wollte – im Mittelpunkt ein Local-Hero der Luruper Fußballszene. Während des Spiels war jedoch weit und breit kein Filmteam zu sehen. Ob diese Nachricht, die sich wie ein Lauffeuer im eher biederen Stadtteil verbreitet hatte, nur PR-Gag war, blieb Mittwoch abend ungeklärt.

Ein Fußballspiel fand auch noch statt. Die Möhlmänner gewannen nicht zelluloidwürdig mit 4:0 (1:0). Zwei Tore schoß Valdas Ivanauskas, je eines Jörg Albertz und Jörn Andersen. Das meistumjubelte Tor, ein Seitfallzieher Zarates wurde wegen eines Regelverstoßes die Anerkennung versagt. Trotzdem zeigte der Argentinier in dieser und anderen Situationen seine Gefährlichkeit. Am eindrucksvollsten nach Spielschluß, als er dank seiner Antrittsschnelligkeit die Entfernung von Umkleidekabine zum Mannschaftsbus in rekordverdächtigen und harrende Fans negierenden vier Sekunden zurücklegte. Zu diesem Zeitpunkt hatte auch der letzte Zuschauer, der vor Antritt des Heimweges noch etwas trinken wollte, kapiert: „'Ne halbe Stunde ansteh'n für'n warmes Bier, sowas gibt's nur hier.“ Jan Strahl