: Rot-Grün regiert
Ministerpräsident Höppners Kabinett in Sachsen-Anhalt wurde vereidigt / CDU erwägt zu klagen ■ Von Eberhard Löblich
Magdeburg (taz) – „Das ist ein echter Husarenritt, und Sie müssen selbst wissen, ob Ihnen das wert ist, Herr Höppner“, fand in den letzten Minuten seiner Amtsperiode der scheidende CDU-Justizminister Walter Remmers. Mit Händen und Füßen wehrte sich die CDU am Donnerstag abend dagegen, daß alle Wahlgänge zum Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt an einem Tag durchgezogen werden und die Union noch an diesem ersten Sitzungstag auf die Oppositionsbank abgeschoben wird. Alles Sträuben half nichts, nach knapp elfstündiger Sitzung hatte die rot- grüne Minderheitskoalition im Verein mit der PDS den Durchmarsch geschafft. Reinhard Höppner ist der neue Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt.
Ab Montag wird regiert
Zuvor hatte der bündnisgrüne Fraktionschef Hans-Jochen Tschiche alle Versuche der Union zurückgewiesen, die Wahl Höppners noch zu verzögern. „Versuchen Sie doch nicht, die Sache jetzt noch auszuhebeln“, rief er der sich sträubenden Union zu, „das können Sie sowieso nicht mehr – ab Montag wird regiert, das steht fest.“
Ob Höppner und sein gestern im Landtag vereidigtes rot-grünes Minderheitskabinett das aber auch auf dem Boden der Landesverfassung tun, das will der unterlegene CDU-Kandidat Christoph Bergner womöglich vom Landesverfassungsgericht prüfen lassen. Die Väter der Landesverfassung, glaubt Bergner, haben bewußt gewisse Fristen zwischen die verschiedenen Wahlgänge gesetzt. Der Durchmarsch von Koalition und PDS durch die Wahlgänge und eine dazwischenliegende Abstimmung über die Selbstauflösung am Donnerstag werde dem Gedanken nicht gerecht, der hinter dieser Regelung steht. Nämlich zwischen den Wahlgängen noch einmal kontemplativ in sich zu gehen und vielleicht einmal alternative Möglichkeiten zu überdenken.
Fraktionschef Jürgen Scharf, der jetzt ins zweite Glied tritt und Ex- Ministerpräsident Christoph Bergner die Rolle des Oppositionsführers überläßt, wärmte erneut das dreimal durchgekochte PDS-Gericht an. „Das Bündnis 90 hat sich ja nie so von der PDS abgegrenzt“, warf er Höppner vor, als der sich zum dritten Mal zur Wahl stellte. „Aber Sie von der SPD haben sich von der PDS einen Ring durch die Nase ziehen lassen, an dem Sie der PDS-Landesvorsitzende Roland Claus und die Fraktionsvorsitzende Petra Sitte in den nächsten vier Jahren durch den Landtag führen.“
Schlechte Verlierer
Auch Ex-Ministerpräsident Christoph Bergner zeigte sich als schlechter Verlierer. Als sein CDU-Parteifreund, Landtagspräsident Klaus Keitel, ihn zur Einhaltung der Redezeit mahnte, ereiferte er sich sichtlich und machte ausgerechnet als Vertreter der stärksten Fraktion im Landtag für seine Fraktion parlamentarische Minderheitsrechte geltend.
Und den zahlreichen anwesenden Journalisten gab er vom Rednerpult des Landtages aus auch noch gute Ratschläge, wie sie denn eine rot-grüne Minderheitsregierung von Gnaden der PDS durch die Legislaturperiode begleiten sollten. Die könnte tatsächlich auch nach Meinung der CDU lang dauern, womöglich gar bis zum geplanten Ende erst in vier Jahren. „Wir richten uns auf eine lange Oppositionszeit ein“, räumte ein Angehöriger der gerade aus dem Amt gedrängten Ministerriege ein.
Der neue Regierungschef hat es eilig, seine Regierung arbeitsfähig zu machen. Schon gestern vormittag erhielten alle Minister bis auf den designierten Wirtschaftsminister Jürgen Gramke ihre Ernennungsurkunden. Aber schon das Amtsgeschäft wurde für den neuen Regierungschef Höppner ein Hindernislauf. Höppner konnte die Ernennung seiner Minister überhaupt nicht vorbereiten, weil der alte Chef der Staatskanzlei, Rainer Link, bis zur letzten Sekunde auf den Ernennungsurkunden saß. Die rücke er erst raus, wenn der neue Ministerpräsident vereidigt sei, so Link. Als das am Donnerstag abend der Fall war, hatte der Beamte Link aber längst seinen wohlverdienten Feierabend angetreten. Im Gegensatz zu ihm spielte CDU-Landtagspräsident Keitel beim von Höppner vorgelegten Tempo der Regierungsbildung mit. Noch gestern mittag nahm er den neuen Ministern bis auf Gramke den Amtseid ab. Gramke muß erst noch aus seinem derzeitigen Beschäftigungsverhältnis herausgekauft werden, bevor er am rot-grünen Kabinettstisch mitspielen darf. Und schon am Montag morgen wollen die meisten Minister getreu der Ankündigung des bündnisgrünen Fraktionschefs Tschiche von ihren christlich-liberalen Vorgängern die Amtsgeschäfte übernehmen.
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