Geist des Weines

■ Wilhelm Hauffs „Phantasien im Bremer Ratskeller“ / Eine Bremer Uraufführung im Unteren Rathaussaal

Wie eng Rausch und Politik verwoben sind, war schon zu Wilhelm Hauffs Zeiten kein Geheimnis mehr: Daß im 16. Jahrhundert die Schweden sogar den trinkfestesten Mann im Heer zum politischen Unterhändler mit Bremen erkoren haben sollen – derartiges erfuhr der Märchenonkel Hauff, als er selbst einmal Bremen besuchte. Und auch, daß man dem Säufer nur die Nase vom Trinkerrot in einen weniger verräterischen Ton verfärbt hatte, um bei hiesigen Senatoren den richtigen Eindruck zu schinden. Aber Hauff, selbst Freund des Weingeistes, erfuhr noch viel mehr während seines elftägigen Aufenthaltes in Bremen und im Bremer Ratskeller – genug, um darüber eine Novelle zu verfassen, die gestern als gleichnamiges Bühnenstück, „Phantasien im Bremer Ratskeller“ (von Hans König), eine Uraufführung feierte – wir erlebten das Jahr 1826.

So tief griff das Theaterprojekt „Rolands Theaterwerft“, in dem Ensemblemitglieder von „Theatre du Pain“, Moks und den städtischen Bühnen reichhaltige Förderung des Wirtschaftssenators verwirken, mit seiner Produktion in die Trickkiste zur Belebung des Bremer Kultur- und Wirtschaftslebens im Sommerloch. Wohl auch weil's inhaltlich naheliegt: Kneipenwirtschaft soll städtische Wirtschaft im Sommerloch beleben – und womöglich den kulturellen Rausch, gerne den von TouristInnen. Der Bühnenrausch jedenfalls, die fröhlichen Urständ, die Geister jenseits der menschlichen Promillegrenzen feiern, fand gestern statt am passenden Ort: im Unteren Rathaussaal. Das soll auch in den nächsten Wochen so bleiben.

Vor vollem Haus und auch sonst in der besten Gesellschaft – von Kellergeistern vor allem – kulminierte da ein rauschendes Gelage. Da erscheint auch der trinktüchtige Schwede wieder, er leistet Frondienst an der Spuk-Front. Weil er den Pakt mit dem Teufel einging, um über den Rausch zu siegen, hat es ihn zu den Geistern verschlagen. Nun muß er dienen: Dem Judas (Frank Ruge), dem Apostel Matthäus (Mateng Pollkläsener), der Rose vom Rhein (Anke Marion Kümmel) und dem Bacchus (Stefan Walkau) schenkt der einstige Schweden-Unterhändler (Martin Bachmann) aus, zum Kellermeister-Geist degradiert. Zwei Stunden spritzen die Weine, bis sie am Ende den Geistern aus den offenen Mäulern flossen – und in Bächen den nackten Leib des lustigen Bacchus hinab. Dem plätschern sie vom üppigen Traubengebinde vorm Latz auf den Boden; allzu menschliche Assoziationen sind gewollt.

Der Witz ist derb, Rausch kennt keine Moral. Selbst die Geister sind sich nicht sicher, was wahr ist, und was Phantasie. Zu fortgeschrittener Stunde bekommen sie Zweifel: „Sind wir geträumt oder träumen wir?“ klagte Judas.

Nur die Räumlichkeiten im Stück sind klar umrissen. Sämtliche Spukszenen spielen im Ratskeller, dort traf der Hauff auf die Geister. Dort begab sich das Gelage im altertümlichen Stil. Mit viel Geschrei, ein wenig Mundart und wunderbar verzerrten Geistergrimassen verweben sich im Stück Gestern und Heute – zu richtigen Phantasien mit historischen Hintergründen. So muß sich kein Theatergast beschweren. Nur wer das Programmhaft zur Hand nimmt, erfährt Genaueres. So ist das Stück angelegt, das von der Verschiebung, von der Trunkenheit und dem Jenseits handelt. Belehrt wird hier niemand: Man will unterhalten, wie Hauff sich damals unterhielt, der phantasievolle Trinker. Eva RhodeWeitere Aufführungen täglich bis Ende August