piwik no script img

Das Rätsel des Jahres

■ Betr.: „So denkt Otto-Ost“, taz vom 26.7.94

Wer zum Teufel wählt PDS? Eckard Thiele löst das Rätsel des Jahres: Otto Normalverbraucher Ost. [...]

Wäre Otto nicht so ein gruselig normaler Verbraucher, müßte er aus der Thiele-Lektüre zwangsläufig folgende Schlüsse ziehen: In der DDR 30, 40, 50 oder ein Mann geworden zu sein ist schlecht. Oppositionelle Gesinnung ist schlecht. Otto sollte nicht auf simple, sondern nur auf komplizierte Erklärungen der Politiker hereinfallen. („Kohl ist unschuldig.“) Zugleich sollte Otto mit den Politikern zufrieden sein. Alles Gute sollte er dem Westen und der Bonner Regierung anlasten (und daß er seine Arbeit verlor, ist der Mißwirtschaft der SED mit ihren Kampfgruppen nach SA-Muster zuzuschreiben). Er sollte Behagen an der Demokratie empfinden, egal, wie martialisch-autoritär sie sich (mit Bundeswehreinsätzen im Ausland, mit Rückgabe vor Entschädigung, mit...) gebärdet, und sie auf keinen Fall ablehnen, schon gar nicht von links. Er sollte endlich begreifen, daß sich in den bürgerlichen Parteien nur einige korrupte Bonzen schuldig gemacht haben, und sie daher unbedingt wählen. Oder wenigstens den Anstand zum Auswandern besitzen.

Ich weiß, mein Umkehrschluß vereinfacht. Wie Eckard Thiele. Der wird doch nicht etwa wie ich im Roten Kloster zu Leipzig das Buchstabieren der Politik und die simplen Welterklärungen gelernt haben? Hartmut Mechtel, Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen