: Moldova bleibt moldovanisch
■ Die ehemalige Sowjetrepublik gibt sich eine Verfassung / Keine Vereinigung mit Rumänien / Autonomieregelungen
Budapest (taz) – Seit gestern hat Rumänien es schriftlich: Den zweiten rumänischen Staat, von dem drei Jahre lang die Rede war, gibt es nicht mehr. Das geht aus der neuen Verfassung der Republik Moldova hervor, die gestern in der Hauptstadt Chisinau vom Parlament verabschiedet wurde.
Zwar sind zwei Drittel der viereinhalb Millionen Einwohner in der kleinen Ex-Sowjetrepublik ethnische Rumänen. Sie sprechen ebenso Rumänisch wie ihre „Brüder und Schwestern“ im Südwesten. Doch in der Präambel der neuen Verfassung ist von „der moldovanischen Sprache, dem moldovanischen Volk und seiner tausendjährigen Vergangenheit“ die Rede. Um die Präambel auf eine „wissenschaftliche Grundlage“ zu stellen, bat das Parlament die Akademie der Wissenschaften, eine Studie zu verfassen.
Was so verwirrend klingt, ist eine Folge der historisch wechselnden Staatlichkeit Moldovas: Einst Teil des gleichnamigen rumänischen Fürstentums, gehörte Moldova von 1812 bis 1918 zum russischen Reich und danach zu Groß- Rumänien, bis Stalin es 1940 wieder annektierte. Am 27. August 1991, kurz nach dem Moskauer Putsch, wurde die Sowjetrepublik unabhängig.
Die danach angestrebte Vereinigung mit Rumänien brachte Separatisten auf den Plan: Im Osten Moldovas riefen großrussische Stalinisten die „Republik Transnistrien“ aus, im Süden des Landes erklärten die Gagausen, ein christliches Turkvolk, ihre Unabhängigkeit. Transnistrien zettelte mit Hilfe der dort stationierten 14. Russischen Armee einen Krieg an, der zum wirtschaftlichen Ruin und zur Spaltung des Landes führte.
Weil Moldova Transnistrien militärisch nicht schlagen konnte, beugte es sich dem politischen Druck aus Moskau. Dafür, daß die Ex-Sowjetrepublik unter russischem Einfluß blieb, garantierte Rußland einen weitgehenden Waffenstillstand. Im letzten Jahr trat Moldova der GUS bei, im April dieses Jahres wurden Russen, Ukrainer und Gagausen, die insgesamt ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, von der Verpflichtung entbunden, Rumänisch zu lernen, sofern sie als Staatsbeamte arbeiten. Anfang Juni schließlich schaffte das Parlament die Nationalhymne – dieselbe wie in Rumänien – ab.
In der neuen Verfassung wird nun nicht nur jede Verbindung zu Rumänien geleugnet. Der Begriff „moldovanische Sprache“ baut auch auf eine stalinistische Tradition auf. Auf Anordnung Stalins mußten Linguisten in den vierziger Jahren „beweisen“, daß Moldovanisch und Rumänisch „zwei verschiedene Sprachen“ sind. Bei den rumänischsprachigen Moldovanern dürfte das jedoch nicht auf große Kritik stoßen. Sie fühlen sich als Moldovaner und sagen selbst, daß sie Moldovanisch sprechen. Das nicht zuletzt aufgrund der Vorurteile ihrer „Brüder und Schwestern“ im Südwesten: Dort gelten sie pauschal als „die Russen“.
Zugleich sichert die neue Verfassung der „Republik Transnistrien“ und der gagausischen Minderheit die „Möglichkeit einer Autonomie“ zu. Ein Gesetz, das die Autonomie regeln wird, wurde nach der Verabschiedung der Verfassung in erster Lesung angenommen und soll im Herbst vom Parlament weiterdiskutiert werden. Der Entwurf gewährt den beiden abtrünnigen Territorien weitgehende administrative, finanzielle und kulturelle Autonomie. Nur wenige Institutionen wie Armee und Sicherheitsorgane sollen ausschließlich unter zentraler Kontrolle stehen. Die Führer der beiden Territorien fordern außerdem ein Sezessionsrecht für den Fall, daß Moldova sich mit Rumänien vereinige.
Der Vorsitzende der herrschenden Agrar-Partei, Dumitru Moţpan, bezeichnete den Autonomie- Passus der Verfassung als ein „Diktat der Realität“. Womit er recht haben dürfte: Wird das Gesetz nicht verabschiedet, stellt Rußland wohl wieder seine Gas- und Öllieferungen an Moldova ein. Keno Verseck
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