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Silbermann's Silbertöne

■ Der Dom hat sie wieder: Die Orgel des Orgelbaumeisters Gottfried Silbermann erklingt in alter Prächtigkeit

Zwar hat sie keine Pedale, gerade mal 48 Tasten und 10 Registerknöpfe, und ihr Gehäuse in Rosa und Grau sieht aus wie ein geschreinertes und barock verziertes Zimmertheater, den gülden geschnitzten Theatervorhang stets gelüftet. Doch wenn auf ihrer Bühne die über hundert Orgelpfeifen zum Spiel anheben, dann tut sich aus dem dreimeterhohen Kasten ein kleines Klangwunder auf: weich und kräftig brummt es aus seinem Bauch, silbriges Timbre singt in der Höhe. Genau so, wie vor 250 Jahren. Die Silbermann-Orgel ist von ihrer Restaurationsreise nach Dresden zurückgekehrt, die Westkrypta im Bremer Dom hat ihr musikalisches Kleinod wieder. Und die Bremer Orgelfans können sich freuen: eine ganze Reihe von Silbermann-Konzerten soll es in nächster Zukunft geben.

Das kleinste Werk des berühmten und eigenwilligen sächsischen Orgelbaumeisters Gottfried Silbermann (1683-1753) war in seine Heimatregion zurückgeschickt worden, damit es wieder seinen Originalzustand von 1745 erlange. So wollte es die Gemeinde des Sankt-Petri-Domes, so wollten es die „Bremer Orgelfreunde“, so wollte es allen voran Wolfgang Baumgratz, Domorganist und Kirchenmusikprofessor an der Hochschule für Künste: „Die Silbermann-Orgel hat ja eine wechselvolle Lebensgeschichte hinter sich. Wir wußten schon lange, daß da etwas mit ihr nicht stimmte.“

Was da nicht stimmte, war die Anzahl der Register. Es fehlten drei. Diese hatte ein Orgelbauer Ende des 19. Jahrhunderts einfach so rausgenommen und einem anderen, neuen Instrument eingepflanzt. Dem Städtchen Wallrode bei Dresden, das die Silbermann'sche nach Auflösung ihrer Heimatkirche zu Etzdorf übernommen hatte, war sie zu klein geworden. Und der Orgel ward das außergewöhnliche Klangwerk auf fünf Register beschnitten.

Die kompakte und transportable Silbermann wurde eine Hausorgel und Anfang der Dreißiger Jahre in einer Dresdner Privatvilla feilgeboten. Dort entdeckte sie Richard Liesche, der damalige Bremer Domkantor. Liesche wußte um den immer noch einzigartigen Wert des Instruments und holte es – so erzählt man sich – in einer Nacht- und Nebelaktion in die Hansestadt. Denn plötzlich wollten die sächsischen Behörden die Silbermann'sche im Lande behalten. Die „Entführung“ glückte. In Bremen kam die neue Orgel gerade recht zum Bachfest 1939 an und war und blieb ab dato die einzige Silbermann in Westdeutschland.

Ihren Platz fand sie in der Westkrypta, und dort unter dem Steingewölbe in akustisch trockener Atmosphäre darf sie noch heute vor allem Tauffeiern klangvoll umschmücken. Sie macht sich gut innerhalb des Orgeltrios mit der großen Sauerorgel im Mittelschiff und der Bachorgel im Nordschiff. Ist die Sauerorgel ideal für romantische Musikstücke, die Bachorgel vor allem für Alte Musik, aber auch für Modernes gut, dann ist der Griff in die Silbermann-Tasten „wie Cembalo-Spielen“, schwärmt Wolfgang Baumgratz. Perlig sei es, für die Finger ein Genuß. Er hat noch in der Dresdener Restaurationswerkstatt eine CD auf ihr eingespielt, mit Werken von Johann Sebastian Bach. Bach hat eine ganze Reihe von Stücken für Orgel „senza pedale“ (ohne Pedal) komponiert, die Manualiter genannt werden. Viele von ihnen sind Choralbearbeitungen, die auf der Silbermann nun wieder ursprünglich rein gehört werden können.

Es gab nämlich Zeiten, da klang sie „wie ein Sänger, der in ein Taschentuch singt“, erzählt Baumgratz. Man hatte sie in den 50ern vom Chor- auf den Kammerton umgemodelt und war ihr dazu gar an die Pfeifenlänge gegangen. Auch diese ist nun wiederhergestellt, was den Restaurator viel Spitzfindigkeit und den BremerInnen 150.000 Mark Spendengelder abverlangt hat.

Heute werden zunächst mal einige Auserwählte die füllige Silbermann'sche Stimmung zu Ohren bekommen: die 400 TeilnehmerInnen der Internationalen Bremer Orgeltagung sind zu einem Konzert mit dem Kirchenmusiker Hans Otto aus Sachsen in die Westkrypta geladen. In 100er-Blöcken werden sie durchgeschleust – wer sich heimlich dazuschleichen möchte: 12.30 Uhr. Silvia Silvia Plahl

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