piwik no script img

„Ich habe das Kind geliebt“

■ Prozeß um Tötung von Baby: Tötete der Vater aus Haß?

Der Vater des getöteten Babys Max hat offenbar in seinen ersten Aussagen bei der Polizei davon gesprochen, er habe das zehn Monate alte Kind „aus Frust, Haß und Verzweiflung“ umgebracht. Im Mordprozeß vor dem Landgericht sagte dies gestern ein Kriminalbeamter, der den 28jährigen noch am Tattag, dem 31. Januar 1994, im Krankenhaus vernommen hatte. In seiner Aussage vor der Strafkammer hatte der Beschuldigte aber am Montag erklärt, er könne sich an die Situation zur Tatzeit nicht erinnern. Der gebürtige Franzose ist angeklagt, das Kind aus dem achten Stock eines Kreuzberger Hochhauses geworfen zu haben. Der Beschuldigte hatte zuvor Streit mit seiner Freundin, der Mutter des Kindes, die ihn aus der Wohnung gewiesen hatte. In seiner Vernehmung hatte er erklärt: „Ich habe das Kind geliebt.“

Der Kriminalbeamte bezeugte, daß der Angeklagte bei der Vernehmung den Haß und seine Wut auf seine Freundin bezogen habe. Er sei aber auch über sich verzweifelt gewesen. Andererseits erklärte ein Psychiater, der ihn im Krankenhaus untersucht hatte, ihm habe der Angeklagte gesagt, er sei ratlos über sein Motiv. Nach seinem damaligen Eindruck habe sich der Angeklagte zur Tatzeit in einem „emotionalen Ausnahmezustand befunden“.

Der Angeklagte war in das Krankenhaus eingeliefert worden, weil er unmittelbar vor der Festnahme einen Selbstmordversuch verübt hatte. Die Verteidigung hatte versucht, die Aussagen des Arztes und des Polizisten zu verhindern. Sie hatte argumentiert, daß sich der 28jährige bei den Erklärungen im Krankenhaus über deren Tragweite nicht im klaren gewesen sei. Insofern dürften seine damaligen Angaben aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zum Gegenstand des Prozesses gemacht werden. Das Gericht lehnte dies jedoch ab. Der Prozeß wird am Montag fortgesetzt. Möglicherweise kommt es dann bereits zu den Plädoyers. dpa

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen