■ Mit dem Pleitegeier auf du und du: Reiche Beute
Wiesbaden (taz/dpa) – Der Pleitegeier hat im Rezessionsjahr 1993 in Deutschland reiche Beute gemacht. Schätzungsweise 35 Milliarden Mark an unwiederbringlichen Verlusten mußten alle Gläubiger zusammen hierzulande verkraften – mehr als jemals zuvor. Bei Insolvenzen entstanden im Westen vermutlich 30 Milliarden Mark Verluste und im Osten fünf Milliarden Mark. Diese Schätzzahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden teilte ein Sprecher gestern auf Anfrage mit.
1994 wird die Zahl der Insolvenzen danach noch weiter steigen, allerdings rechnen die Statistiker für dieses Jahr mit niedrigen volkswirtschaftlichen Schäden als 1993. Der Grund: Am Ende einer Rezession sind es zumeist kleine Betriebe, die sich noch so gerade eben durch das Konjunkturtal geschleppt haben, jetzt aber zu Beginn des wirtschaftlichen Aufschwungs finanziell völlig ausgezehrt dem Pleitegeier doch noch zum Opfer fallen.
1992 mußten die Gläubiger bei insgesamt 15.302 Insolvenzfällen in Deutschland Verluste von 17 Milliarden Mark abbuchen. Für 1991 geben die Statistiker die Gesamtverluste aus 13.323 Pleiten mit 13 Milliarden Mark an. Den 1992 in Westdeutschland gestellten 14.117 Anträgen auf Eröffnung eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens wurde nur in einem Viertel der Fälle entsprochen: Beim großen Rest reichte das vorhandene Vermögen nicht einmal zur Deckung der Verfahrenskosten, geschweige denn zur Begleichung offener Rechnungen. Bei den eröffneten Insolvenzverfahren standen zur Begleichung der 9,2 Milliarden Mark Verbindlichkeiten realisierbare Vermögenswerte von lediglich 0,5 Milliarden Mark zur Verfügung. Bei den mangels Masse abgelehnten Konkursanträgen mußten die Gläubiger Forderungen über 3,7 Milliarden Mark „als gänzlich uneinbringbar“ abschreiben. Da für zehn Prozent der eröffneten Verfahren noch ein finanzielles Ergebnis aussteht, dürften sich nach Feststellung des Bundesamtes die Forderungsausfälle in Westdeutschland 1992 auf etwa 13 (1991: 9) Milliarden Mark belaufen. Der bisherige westdeutsche Spitzenwert wurde 1985 mit 15 Milliarden Mark an Insolvenzverlusten registriert.
In Ostdeutschland wurden 1992 von 1.185 Anträgen auf Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens 56 Prozent positiv entschieden, 44 Prozent wurden mangels Masse abgelehnt. Bei den eröffneten Verfahren standen den Verbindlichkeiten von 4,5 Milliarden Mark immerhin Vermögenswerte von 1,5 Milliarden Mark gegenüber. Da in einigen Fällen das finanzielle Ergebnis noch ausstehe, dürften sich die Verluste der Gläubiger wie schon 1991 auf schätzungsweise vier Milliarden Mark belaufen.
Im laufenden Jahr haben Gläubiger nach Ermittlungen der Wiesbadener Statistiker bei westdeutschen Insolvenzfällen bislang Forderungen in Höhe von etwa 13 Milliarden Mark angemeldet; in Ostdeutschland sind es 2,2 Milliarden Mark.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen