Auf daß des Bürgers „Welt“-Bild stimme

Nicht nur, daß Polizisten mit Brecheisen bei einer Durchsuchung des Deutsch-Kurdischen Kulturzentrums vorgingen / Angeblich auch Waffenarsenal der PKK ausgehoben  ■ Von Kathi Seefeld

Ingo Dittert ist Hausverwalter der Zossener Straße 41 in Kreuzberg. Vor zwei Wochen schrieb er einen Brief an Innensenator Dieter Heckelmann (CDU): „Solche Szenarien kannte ich bisher nur aus Literatur und Filmen über unsere großdeutsche Geschichte“, stand darin. Gemeint war der Polizeieinsatz vom 27. Juli in jenem von ihm verwalteten Haus Zossener Straße 41. Hier hat Navça Kurd, das Kurdisch-Deutsche Kulturzentrum, sein Domizil. „Unter dem Vorwand, zwei straffällige Kurden zu suchen, drangen die Beamten bei uns ein“, so Cafer Sürmeli, Vorstandsmitglied des Kulturzentrums.

Obwohl Schlüssel zu allen Räumen vorhanden waren, wurden sämtliche Türen aufgebrochen, berichtete Ingo Dittert. Und obwohl der polizeiliche Auftrag nur für eine der acht im Haus arbeitenden kurdischen Einrichtungen galt, wurden alle Zimmer von den Beamten heimgesucht. Es wurden Schränke zerschlagen und Materialien beschlagnahmt. „Wenn Sie Ihre Aufgabe in unserer Gesellschaft ernst nehmen, haben Sie durch das vorliegende Ereignis Gelegenheit, sich mit dem Auftritt unserer Polizei gegenüber Ausländern auseinanderzusetzen“, schrieb Dittert an Senator Heckelmann.

Wie dieses Auseinandersetzen aussieht, erfuhren alle KurdInnen eine Woche später. In einem Beitrag der Welt vom 2. August konnten sie lesen: „Polizisten und Staatsanwälte stellten in den Räumen in Kreuzberg zahlreiche ,Spendenbelege‘ sowie Propagandamaterial der PKK und ein Waffenarsenal sicher, das dem militärischen Arm der PKK, dem IRNK, zugeordnet wird.“ Und Innenstaatssekretär Armin Jäger durfte schlußfolgern: „Damit steht eindeutig fest, daß die PKK im kurdischen Zentrum agiert hat und daß sich der Verdacht der Erpressung bestätigt.“ Wenn der Staatssekretär, der momentan im Urlaub weile, so etwas gesagt habe, sei es auch so, so Franz Richter, Sprecher der Senatsverwaltung für Inneres, gegenüber der taz. Er erzählte allerdings auch, welcher Art diese sichergestellten Waffen waren: „Schlagwaffen“.

„Drei Stück seien laut Polizeibericht gefunden worden“, bestätigte der Anwalt des Kurdisch- Deutschen Kulturzentrums, Wolfgang Kaleck. „An manchen Tagen kommen 300 oder, so wie gestern, sogar 500 Besucher hierher“, erzählt eine junge Kurdin, die auf dem Hinterhof der Zossener Straße 41 Tee trinkt. „Aus drei Schlagwaffen ein Arsenal der PKK zu machen, hat nicht nur etwas Denunziatorisches“, so Kaleck weiter, „sondern es ist politisch außerordentlich verantwortungslos.“

Was die beschlagnahmten Spendengelder und Quittungen angehe, sei es „vollkommen schwachsinnig zu behaupten, die stammten von für die PKK erpreßten Geldern“. Als ob jemand über erpreßte Finanzen Buch führen würde. Zudem finanzierten sich die kurdischen Einrichtungen aus Ermangelung an Senatsfördermitteln nun einmal hauptsächlich über Spenden.

Hausverwalter Ingo Dittert wartet bis heute auf eine Antwort des Innensenators, schließlich sei bei dem Polizeieinsatz ein hoher Sachschaden entstanden, der ihm ersetzt werden müsse. Die erneute Diffamierung, die die 50.000 KurdInnen in Berlin erfahren hätten, so Cafer Sürmeli, sei jedoch kaum wieder gutzumachen, obwohl das Zentrum nach der Polizeierstürmung eine große Solidarisierung vieler Deutscher und auch einiger demokratischer Türken erfahren habe.

Das überregionale türkische Fernsehen hatte einen ganzen Tag lang von den „Waffenfunden in Berlin“ berichtet. Celat, ein Besucher des Kulturzentrums, legt die jüngste Ausgabe der Özgür Ülke auf den Tisch. Auf Seite 1 der kurdischen Tageszeitung Bilder des Grauens. Türkische Militärs präsentieren sich mit ihren Opfern fürs Familienalbum. Papa steht auf einem Berg aus zwanzig toten Kurden. Fotos von der Verbrennung der Leichen.