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Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill

Es läßt sich nicht mehr herausfinden, wer diese idiotische Idee hatte. Eines morgens kamen die Arbeiter und gruben Löcher. Dann gossen sie die Löcher aus und betonierten Pfähle hinein. Dann schweißten sie die Eisenlatten zwischen den Pfählen fest. Dann malten sie die Eisenlatten froschgrün an. Fertig war der Riesenzaun mit den Speerspitzen obendrauf.

Er trennt uns jetzt vom Paterson Park und den Paterson Park von uns. Er signalisiert: Achtung, Sie betreten eine Gefahrenzone! Früher wurde der Park nur durch einen verrosteten, unscheinbaren Maschendraht eingesäumt. Heute, mit der 2,50 Meter hohen Eisenpalisade, wirkt er wie eine Hochsicherheitszone. Früher gingen wir einfach ins Grüne, heute überschreiten wir eine Grenze.

Wahrscheinlich haben die Alten schräg gegenüber die Sache eingefädelt. Sie lachen nicht, sie grüßen nicht. Sie verkriechen sich in ihrem Haus vor der bösen Welt. Die zwei sind die größten Hosenscheißer in unserer Straße. Die Schwarzen, die Kriminalität, das neue Südafrika – sie fürchten sich vor allem und jedem. Nachmittags, wenn der Alte von der Arbeit kommt, rast er mit dem Auto ans Garagentor heran und hupt nervös, wenn die Alte nicht gleich aufmacht. Sogleich ziehen sie sich hinter Riegel und Schlösser und Sicherheitsanlagen zurück. Ob sie wohl manchmal in ihrem Glasvorbau sitzen, der direkt in den Paterson Park hineinschaut? Man kann es nicht sehen. Denn seit anderthalb Jahren sind die Jalousien heruntergezogen. Neulich ließ das Angsthasenpärchen die schöne Veranda rundumvergittern. Jetzt sieht ihr Heim aus wie ein Leichenhaus, das zum Knast umgebaut wurde. Aber haben die zwei denn nicht recht? Mindestens einmal die Woche, meistens am Freitag, wird im Park herumgeballert. Da werden dann irgendwelche Händel ausgeschossen. Gelegentlich wird auch die Norwood Police Station unter Feuer genommen – Polizistenschießen, einfach so. Wir lachen nur noch, wenn uns Besucher aus D. von der explodierenden Kriminalität dortselbst erzählen. Peanuts im Vergleich zu Joburg, der Mordkapitale der Welt – vor Rio oder Chikago. Nur: Wie sollen Jalousien, Gitterstäbe und Neurosen vor den Kugeln schützen? Locken nicht gerade sie die Bösewichte an? Außerdem: Auch die alten, verschreckten Höhlenbewohner müssen ab und zu ihren Bau verlassen. Aber im Park, diesem Vorhof der Hölle, wurden sie noch nie gesichtet. Nachts, wenn die Schüsse bellen, ist er auch für uns tabu. Aber an hellen Sonnentagen verwandelt sich die Grünfläche in einen friedlichen, lauschigen, öffentlichen Raum. Die schwarzen und weißen Kids der gemischten Schule von nebenan tollen über den Rasen und raufen um Bälle. Drachen steigen in die Lüfte. Auf schattigen Bänken halten die Maids und Nannies ihr Palaver, und unter den Büschen saugen die Schluckspechte ihren Fusel. Kurzum: Die no go area namens Paterson Parks verwandelt sich in ein kleines Paradies.

Das einzige, was uns dann ärgert, ist der froschgrüne Stahlzaun. Einmal abgesehen von den vierbeinigen Banditen, diesen Verbrechern des Tages: Bullterrier und deutsch-südafrikanische Schäferhunde, die auch in der Ära Mandela immer noch ohne Waffenschein geführt werden dürfen.

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