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Gibbeln und Fummeln

■ "Einsam, zweisam, dreisam" ist Familienkino für die Generation X

Ein bißchen viel hat sich Andrew Fleming mit seiner College- Komödie vorgenommen. Es sieht ganz so aus, als wolle er mit seiner Geschichte über eine bemüht enthemmte ménage à trois den kategorisch Frustrierten der vielbeschworenen Generation X endlich eine animierende Illusion auf die Leinwand zaubern. In „Einsam, zweisam, dreisam“ gibt es zwischenmenschliche Zuneigung im Überfluß. Aidsangst ist hier nicht länger Spielverderber. Gibbeln und Fummeln bringt mehr Spaß als Kiffen, Saufen und Rauchen.

Die Leitung des Studentenwohnheims in irgendeiner Universitätsstadt hat Stuart, Eddi und Alex in dasselbe Apartment einquartiert. Daß Alex (Lara Flynn Boyle) eine Frau ist, merkt die Verwaltung erst bei ihrem Einzug. Da kein anderes Zimmer leersteht, muß sich die Studentin fürs erste mit dieser Konstellation zufriedengeben.

Bald hat sie sich an den Anblick eines bis an den Rand zugepißten Klos gewöhnt und gelernt, Stuarts (Stephen Baldwin, Bruder von Alec und William) archaisch zelebrierte Männlichkeit, die er auch bei anderen Gelegenheiten nicht in den Griff kriegt, mit mütterlichem Lächeln zu nehmen. Im Interview mit Cinema antwortet er übrigens auf die Frage, ob es ihn nerve, so ein tumbes Muskelpaket zu spielen: „Nö, ich bin nämlich ein tumbes Muskelpaket.“ Und wenn er dann stolz seine große Klappe öffnet, um seine Zunge wie eine Corvette aus der Doppelgarage herausfahren zu lassen, stöhnt Alex ihn schon bald bereitwillig an. Doch eigentlich gehört das Herz der Schauspielschülerin (auch einer Dame aus Lynchville) dem stillen Eddi (Josh Charles). Für ihn wälzt sie sich in der Bibliothek breitbeinig auf dem Tisch, bis den solchermaßen Angekeuchten zwar keine Lust, aber immerhin Mitleid überfällt. Er sei „sexuell unentschieden“, entschuldigt er sich und mustert lieber hingerissen den Hintern seines Mitbewohners.

Stuart wiederum grübelt nur, wie er das „vor Erotik knisternde Luder“ Alex endlich „flachlegen“ kann.

Als alle einmal ihren Willen bekommen haben und ansonsten mit dem jeweils Ungeliebten, aber Willigen Vorlieb nehmen (wie hieß es damals noch immer: „if you can't be with the one you love, love the one you're with“), ist die aufgestaute Geilheit fürs erste abgekühlt. Man besinnt sich auf bleibendere Werte und nennt sich auf einmal „Freund“. Aufgekratzte Heiterkeit wird zum Dauerzustand. Gemeinsames Nacktbaden soll die unvermittelt entdeckte Freundschaft nachträglich glaubhaft machen und dem spießigen Rest der Welt zeigen, was es heißt, jung und frei zu sein.

Alex gebärdet sich so hysterisch und exzentrisch, wie es ihr Studienfach mit sich bringt. Filmstudent Eddy gefällt sich als introvertiertes Sensibelchen, das seine verklemmte Homosexualität hätschelt, als sei sie ein Kleinod, das ihn interessant mache.

Stuart, der Wirtschaftswissenschaftler, ist durch und durch Phallokrat. Beim Blick auf seine Pin- up-Sammlung säumt das siegesgewisse Lächeln eines Feldherren sein Primatengesicht. Sein muskelschwerer O-Bein-Gang, mit dem er sein Zepter vor sich her schiebt, und seine martialischen Sextips stellen seine Balzideologien unter die Regeln eines Survival-of-the- Fittest-Gedanken. Damit macht er, erfährt man am Ende, später auch Karriere.

Flemings Figuren gefallen sich als patziger Elternschreck, ohne zu merken, daß ihr vermeintliches Drop-out-Dasein zwischenzeitlich nicht mehr ist als eine Variante der Kleinfamilie, in der Mutti und Vati sich auch mal vor der Handycam im Obszönen erproben.

Das Abgeschmackteste aber an der Twen-Komödie ist, daß sie die simple Kompromißlösung der einsam Verliebten, nämlich sich mit dem Mitleid des Geliebten und dem Körper des Tolerierten zufrieden zu geben, als allseits glücklichmachende Freundschaft vorgaukelt. Krisen sind nicht mehr als launische Kapriolen und dramaturgische Lockerungsübungen.

Jeder darf in der WG-Familie das Sorgenkind spielen. Ewige Kummer- und gleichzeitige Heilsquelle ist der Schwanz. Eddi begehrt Stuart nicht zuletzt wegen seines Phalluskults. Und wenn Stuart mal wimmernd an seiner Potenz zweifelt, nimmt ihn Alex sanft zur Brust und versichert ihm: „Du brauchst deinen Pipimann nicht abzuschneiden.“ Weibliche Sexualität ist für Fleming nicht annähernd so interessant wie Stuarts „Bedrohung“ durch „Schwuliberts“. Sie ist einfach da, wartet devot und verzweifelt auf Beachtung und Erlösung von quälender Lust.

Bevor das Drehbuch den ersten Sex vorschreibt, haben sich alle Beteiligten schon über ihr Liebesleben wund geredet. Allein die Kamera bemüht sich, das Geplänkel in engen Einstellungen mit Intimität aufzuladen. Birgit Glombitza

„Einsam, zweisam, dreisam“. Buch und Regie: Andrew Fleming, Kamera: Alexander Gruszynski. Mit: Laura Flynn Boyle, Stephen Baldwin, Josh Charles, Alexis Arquette u.a. USA 1994, 93 Min.

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