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"Fisch und Frau müssen fett sein"

■ Kündigung eines Amtsarztes wegen Belästigung von Patientinnen bleibt bestehen / Doktor zog Klage gegen Land Berlin zurück / Einer übergewichtigen Patientin hatte er angeboten, für sie Spargel zu kochen

Der 58jährige Hans-Christof von Sch. kann seinen Beruf als Amtsarzt an den Nagel hängen. Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts machte ihm gestern unmißverständlich klar, daß er keine Chance habe, seinen Prozeß gegen das Land Berlin zu gewinnen. Hans-Christof von Sch. war bis Mitte 1993 beim Zehlendorfer Bezirksamt als Amtsarzt tätig gewesen, dann aber wegen „Nichtbewährung in der Probezeit“ entlassen worden. Der Grund: er habe Patientinnen belästigt.

Seiner Entlassung waren mehrfache Mahnungen des Zehlendorfer Gesundheitsstadtrates vorausgegangen. Er war zunächst aufgefordert worden, „das persönliche Schamgefühl der Patientinnen zu respektieren“. Dann wurde er belehrt, daß sich die Patientinnen bei den Untersuchungen nur „etagenweise“ entkleiden. Schließlich durfte er nur noch Männer behandeln.

Der Amtsarzt hatte gegen das Land Berlin auf Rücknahme der Entlassung geklagt. Bei der gestrigen Verhandlung wurden zwei Patientinnen als Zeuginnen vernommen. Danach war der Fall für das Gericht klar. Die erste Zeugin, eine 45jährige Bibliothekarin, hatte den Amtsarzt im April 1991 zwecks Verschreibung einer Kur zur Linderung ihrer Hautkrankheit aufgesucht. Vor Gericht empörte sie sich gestern darüber, daß der Arzt die Fenstervorhänge im Untersuchungszimmer erst auf ihren nachdrücklichen Wunsch zugezogen habe. Nach der Untersuchung habe sie bei dem anschließenden Gespräch noch eine Weile unbekleidet an seinem Schreibtisch gesessen. Schließlich habe sie sich ihren Mantel umgehängt, weil sie sich in ihrer Nacktheit unbehaglich gefühlt habe. Sehr befremdet war sie auch darüber, daß der Arzt ihren Familienstand wissen wollte. Auf ihre Antwort, sie sei ledig, habe er gesagt: eine intensive sexuelle Beziehung würde ihr guttun, weil Seele und Haut aus einer Zelle stammten. Als das Gespräch auf ihr Übergewicht gekommen sei, habe er empfohlen, zur Entschlackung Spargel zu essen. Er selbst habe sich als hervorragender Spargelkoch gepriesen und ihr angeboten, für sie zu Hause Spargel zu kochen.

Die zweite Zeugin, eine 53jährige Sozialarbeiterin, hatte Hans- Christof von Sch. wegen ihres durch die Wechseljahre bedingten Übergewichts aufgesucht. „Ja, das stimmt, Sie sind ganz schön fett“, habe er zu ihr gesagt, so die Zeugin. Dann habe er wissen wollen, ob ihr Ehemann sie „so fett“, wie sie sei, auch liebe, und sie mit den Worten getröstet: „Machen Sie sich nichts daraus, ich kenne jugoslawische Männer, die stehen auf fette Frauen.“ Er selbst habe einen jugoslawischen Freund, der immer sage: „Fisch und Frau müssen fett sein.“

Beide Frauen hatten es nicht gewagt, dem Arzt ihre Meinung zu sagen – aus Angst, er werde sonst die Kuranträge nicht genehmigen. Auf die dritte Zeugin verzichtete das Gericht gestern. Zu dieser soll der Doktor beim Abtasten des Fußpulses gesagt haben: „Kalte Füße, heißes Herz.“ Nach einer kurzen Prozeßunterbrechung signalisierte der Vorsitzende Richter Weber dem Arzt, er solle seine Klage auf Rücknahme seiner Entlassung lieber zurückziehen, denn er werde den Prozeß auf keinen Fall gewinnen. „Der Spruch ,Fisch und Frau sind fett‘ schnürt einem den Hals ab“, sagte Weber zur Begründung. Plutonia Plarre

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