„Es gibt immer ein paar Irrläufer“

■ Von der Schmidt-Show in den Schlagerhimmel der 70er: Dieter Thomas Kuhn und seine Band

In jenen längst vergangenen Zeiten, da Ricky Shane (“Ich sprenge alle Ketten“) noch ein Brusthaar-Toupet angedichtet wurde, gab es dergleichen Accessoires bloß im Scherz. Mit echt aufgeklebtem Brusthaar-Toupet unterm Glitzerrüschenhemd beehrt Dieter Thomas Kuhn („die singende Fönwelle aus Tübingen“) heute die Schmidt-Show um Mitternacht. Lichtgestalten wie Michael Holm, Bernd Clüver, Rex Dildo oder Howard Carpendale läßt er auferstehen, denn schließlich gibt Kuhn sein „Leben für die Musik“.

Das muß ein Künstlername sein, aber „Kuhn heiß ich und Thomas auch“, gesteht der im privaten Leben ganz ansehnliche alterslose junge Mann, „und woher der Dieter kommt, kannst du dir ja denken“. Naja, wem ist der schon in der Jugend erspart geblieben? So ereilte ihn die Liebe zum Schlager der 70er eher wie die Jungfrau das Kind: „Ich und meine Band haben das Genre erst vor zwei Jahren für uns entdeckt. Vorher hätt' man uns den Schlager vorn Bauch binden können.“ Zum geschmacklichen Ausgleich spielt Kuhn auch noch in einer Soulband. Auch seine Kuhn-Combo setzt sich aus gestandenen Jazzern oder Punks zusammen, aber „alle gemeinsam hatten wir einfach Lust den Schlager aufzumischen. Wir wollten einfach Blödsinn machen“ Und darum geht's noch immer: „Wär' natürlich klasse, wenn das große Geld dazukäme, aber es geht in erster Linie um den Spaß – für alle. Und den haben wir.“ Aber warum denn ausgerechnet Bernd, Rex, Howie oder Bata? Klarer Fall für Dieter Thomas: „Diese Texte aus den 70ern kriegt doch heute keiner mehr hin. –Barfuß im Regen' – das ist so eine Einheit zwischen Melodie und Text, das geht so rein. Es gibt heute meistens schlechte Schlager, die – bumm-zig, bumm-zig – eher zur Volksmusik gehören. Ansonsten ist das heute kein Schlager mehr, sondern Pop, schematische Computerprogramme, die alle gleich klingen.“

Dem auf der Bühne in gelber Schlaghose und auf Plateausohlen stolzierenden Star eilt in Norddeutschland der Ruf voraus, in Süddeutschland ganze Hallen zu füllen. Und tatsächlich war die Dieter-Thomas-Kuhn-Premiere im Stuttgarter Theaterhaus mit 1.000 Leuten ausverkauft. 2.500 kamen zu einem Open-Air-Konzert: „In unserer Gegend um Tübingen, übrigens eine Weltstadt und schön dazu, spielt sich im kleineren Rahmen nichts mehr ab wegen der großen Nachfrage. Ich hoffe natürlich, daß das hier auch bald so weit ist“, sagt der selbstbewußte Schnulzennachwuchs, der – überraschenderweise – meist eher junges Publikum anspricht: „Es gibt immer so ein paar Irrläufer, die denken, sie könnten wegen der Musik kommen. Die schmeißen wir nicht raus, aber die haben's nicht ganz verstanden. Potentielle Schlagerhörer kommen eher nicht.“ Daß sich junge Leute heute noch „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“ anhören, erklärt sich Kuhn beinahe metaphysisch: „Die Songs müssen in allen Köpfen sein. Wir mußten uns die Texte mühsam besorgen, aber die singen einfach alles mit. Diese Schlager sind nicht tot zu kriegen“.

Den Grand Prix peilen die Trash-Komödianten bisher allerdings noch nicht an: „Wenn Ralph Siegel auf uns zukäme, naja, das wäre ein verlockendes Angebot, doch ich glaube, wir wären standhaft und würden unser Ding so durchziehen.“

Aber es gibt ja doch noch mehr auf der Welt als Schlager wie Christian Anders, heute: Guru, oder Michael Holm, heute: Bauer, beweisen. Noch hegt Kuhn solche Pläne nicht, und dank fundierter Ausbildung muß er sich darüber keine Sorgen machen: „Im Notfall greif ich auf meine alten Berufe Landmaschinenmechaniker oder Masseur zurück. Da gibt's immer Jobs.“

Fragen: Julia Kossmann

Schmidt-Theater, heute 24 Uhr