: Polizei verhinderte Antifa-Demo
■ Kein „Schlagabtausch“ vor Privenaus Wohnung / Sieben Platzverweise für Neonazis
Knapp eine Woche, nachdem in Bremen eine von Neonazis geplante Gedenkveranstaltung für Rudolf Heß verboten und die ebenfalls verbotene antifaschistische Gegenkundgebung rüde von der Polizei aufgelöst wurde, stand die Stadt gestern erneut im Mittelpunkt der rechten Mobilisierungskampagne: Das „Nationale Infotelefon“ Rheinland forderte über seinen Anrufbeantworter „alle nationalen Aktivisten“ auf, am Freitag nach Bremen zu kommen, „in die Stadt einzusickern und sich bereitzuhalten. ... In Bremen wird es vermutlich zu einem Schlagabtausch von linken Gewalttätern mit nationalen Bürgern kommen... Eine Eskalatin wird wohl nicht vermieden werden können...Heil Deutschland“
Trotz der unüberhörbaren Vorfreude des Sprechers kam es nicht zum „Schlagabtausch“. Die Polizei wartete bereits vor dem Haus des Bremer Neonazi-Chefs Markus Privenau und nahm dort gegen 16 Uhr sieben Angehörige der Neonaziszene fest. Die in zwei Bremer Autos angereisten Männer wurden zwecks Personalienfeststellung vorübergehend festgenommen und erhielten einen Platzverweis, durften folglich die Wohnung Privenaus trotz verbaler Proteste auch nach der Freilassung nicht betreten.
Zur selben Zeit sammelten sich auf dem Grünenkamp diejenigen, die dem Aufruf der Antifaschistischen Aktion gefolgt waren. Ihr eigentliches Ziel war, nach Woltmershausen zu ziehen, um in jenem Viertel die Wohnung von Markus Privenau zu outen und die BürgerInnen auf ihre rechtsextreme Nachbarschaft aufmerksam zu machen.
Eine ähnliche Aktion hatte am vergangenen Wochenende in Berlin stattgefunden, die zur Festnahme des Berliner Neonazichefs Arnulf Priem geführt hatte: AntifaschistInnen hatten vor seiner Wohnung eine Kundgebung veranstaltet. Die etwa 30 darauf offensichtlich vorbereiteten Neonazis verschanzten sich auf dem Dach des Hauses und beschossen von dort aus ein Kamerateam mit einer Zwille. Bei der anschließenden Wohnungsdurchsuchung stellte die Polizei Stahl- und Glaskugeln sicher, Molotowcocktails, bereitgelegte Dachziegel, Messer und Dolche. Priem sowie ein anderer Nazi wurden wegen gefährlicher Körperverletzung festgenommen und sitzt derzeit im Moabiter Gefängnis.
Seine Adresse ist durch die Vorfälle bundesweit bekannt. Die rechten Umtriebe von Markus Privenau scheinen dagegen nur wenige in seinem Wohnumfeld zu kennen. „Das ist ja schrecklich“, reagiert eine ältere Dame entsetzt, „kann man den denn nicht einfach wegsperren?“ Jugendliche Anwohner sind besser informiert und posieren wichtigtuerisch im „Böhse Onkelz“-Shirt. In einem älteren Anwohner haben sie offensichtlich ihren Wegweiser gefunden, zumal Privenau selbst sich nicht sehen läßt. Die Nachbarin weiß, daß er ohnehin noch eine zweite Wohnung hat, denn hier wohne nur seine Frau und das Kind. Sie findet, man müsse die Familie doch in Ruhe lassen, „die werden doch auch gehetzt. Das geht schon alles seinen Gang. Was ich inhaltlich darüber denke, das behalte ich lieber für mich.“
Auf dem Grünenkamp war man anderer Meinung. Die etwa 120 Menschen, die sich gegen 17 Uhr dort unter massivem Polizeiaufgebot versammelt hatten, gehen davon aus, daß dieses Schweigen einen Schutz für die Neonazis darstellt. Die DemonstrantInnen fanden daher kaum Verständnis für die Anweisung der Polizei, die die Kundgebung untersagte, und dasVerlassen des Platzes nur in kleinen Gruppen erlaubte. Die Polizei, hieß es aus dem Lautsprecherwagen der Antifaschistischen Aktion, habe schließlich schon die Demo am Steintor aufgelöst und auch heute ziemlich „deutlich gemacht, daß sie gewinnen“ werde. „Das muß man sich mal vorstellen, was für konkrete Drohungen das schon wieder sind.“ Der Wut zum Trotz löste sich die Demo eine gute halbe Stunde später friedlich auf.
dah
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