: Skandal weitet sich aus
■ Ermittlungen gegen 51 Polizisten wegen Übergriffen auf Vietnamesen
Der Polizeiskandal hat sich ausgeweitet. Wie Justizsprecher Frank Thiel gestern berichtete, ermittelt die Staatsanwaltschaft jetzt bereits in 51 Fällen wegen möglicher Übergriffe von Polizisten auf vietnamesische Zigarettenhändler. Damit habe sich die Zahl der bislang bekannten Fälle fast verdoppelt. Die Ermittlungen in diesen 51 Fällen richten sich jedoch nicht gegen jene zehn Polizisten, die drei Skinheads und einen Rumänen mißhandelt haben sollen.
Mehrere Opfer und Beschuldigte sind der zuständigen „Arbeitsgruppe Vietnam“ inzwischen namentlich bekannt, hieß es. In 34 Verfahren werde den Polizisten Körperverletzung vorgeworfen, so Thiel. In 17 weiteren Verfahren gehe es unter anderem um die Unterschlagung von Zigaretten und Geld. Wie berichtet, hatte die Beratungsstelle für Vietnamesen, „Reistrommel“, der Kripo bereits vor längerer Zeit Gedächtnisprotokolle überreicht, in denen vietnamesische Zigarettenhändler von Mißhandlungen durch Polizisten berichteten. Die Kripo ermittelt seither in den Direktionen 1, 6 und 7 (Pankow/Weißensee, Friedrichshain und Marzahn).
Noch mehr Polizisten am Skin-Übergriff beteiligt?
Bei den Ermittlungen gegen die zehn Beamten einer Kreuzberger Direktionshundertschaft werde geprüft, ob noch mehr Polizisten in den Fall verwickelt sind, sagte Thiel. Auch werde untersucht, ob es weitere Opfer gebe. Staatsanwalt Carlo Weber sprach von neuen Erkenntnissen, die er aus ermittlungstaktischen Gründen jedoch noch nicht mitteilen könne.
Die Polizei hatte neun Beamte am Mittwoch suspendiert, weil sie drei Skinheads und einen Rumänen auf offener Straße und später in einem Mannschaftswagen grundlos geschlagen und getreten haben sollen. Die vier Opfer wurden leicht verletzt. Ein zehnter Polizist soll später versucht haben, Beweise beiseite zu schaffen. Bei Durchsuchungen ihrer Privat- und Diensträume waren Schlagwaffen und unverzollte Zigaretten entdeckt worden. Die vier Opfer haben Strafanzeige erstattet. Einzelheiten über Tathergang und -motive sind auch bisher nicht bekannt.
Die Beschuldigten, drei Polizeihauptmeister, drei Polizeiobermeister und vier Polizeimeister – darunter zwei Frauen – gehören dem aus 29 Beamten bestehenden Zug einer Direktionshundertschaft in Kreuzberg an, der mittlerweile aufgelöst wurde. Bei den beschlagnahmten Waffen handelte es sich um mit Plastikschienen verstärkte Handschuhe und Schlagstöcke, die nicht zur Dienstausrüstung gehören. Ob sie für Straftaten eingesetzt wurden, wird noch ermittelt, ebenso die Herkunft der unverzollten Zigaretten.
Ob die suspendierten Polizisten auch Vietnamesen mißhandelt haben, blieb gestern unklar. In Bernau, nördlich von Berlin, wurden in den vergangenen Wochen bereits sieben Beamte beurlaubt, nachdem ihnen vorgeworfen worden war, Vietnamesen bei Verhören beleidigt und geschlagen zu haben. taz/dpa
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